Blutsbund 3 Michail
schnaufte.
Viktor reagierte zornig: »Es geht hier um die Zukunft Russlands und du bist einer der repräsentativsten Vampire dieses Landes! Du hast es als Pflicht anzusehen und deine persönlichen Belange hinten anzustellen! Es gibt Kompromisse, die man schließen muss und die auch du eingehen wirst!«
Michail kochte nach dieser Ansage vor Wut. Ruckartig stand er auf und begab sich zum Ausgang des Sitzungssaals.
»Hast du mich verstanden, Michail Romanow, und wirst dich darum kümmern?«, fragte ihn Viktor mit einer Strenge, die er noch nie von seinem Regenten vernommen hatte.
Michail blieb stehen, drehte sich um und nickte knapp. Anschließend verließ er den Saal und die Tür fiel laut ins Schloss.
Vom Flur des Ratsgebäudes aus sprang er direkt in seine Moskauer Stadtwohnung. Er wollte jetzt niemanden sehen, und diese Wohnung war sein persönlicher Rückzugsort. Er warf das Jackett seines Anzugs über den Sessel, löste die Krawatte, knöpfte sein Hemd ein Stück auf und goss sich einen Whisky ein. Gedankenverloren schaute er aus dem Fenster und beobachtete die fallenden Schneeflocken. Er liebte den Ausblick, den er von der 12. Etage hatte, und genoss ihn jedes Mal, gerade im Winter, wenn es so früh dunkel wurde und die Lichter der Stadt mit Fantasie an ein Meer aus Sternen erinnerte. Diese Momente waren viel zu selten geworden, seit eine Krisensitzung die andere jagte. Für ihn war das neu erworbene Wissen, dass Vampire und Werwölfe den gleichen Ursprung hatten, noch immer nicht zu akzeptieren. Ebenso wenig wie der Punkt, dass seit Jahrhunderten Kriege ausgefochten wurden, nur weil es vor Urzeiten einen Verschmähten unter ihnen gegeben hatte, dessen Liebe nicht erwidert wurde. Der Gedanke, dass ihre Rassen einst füreinander geschaffen worden waren, erschien ihm völlig unmöglich. Michail verzog bei diesem Gedankengang das Gesicht. Wer sollte sich von etwas angezogen fühlen, das nach nassem Hund stank? Er schüttelte sich angewidert und trank in großen Zügen seinen Whisky aus.
Er hatte, bis es 1895 zum Waffenstillstand und zur Gebietsaufteilung kam, zig Kriege gegen die Wölfe angeführt und das alles sollte für nichts und wieder nichts gewesen sein? Michail hatte viele Freunde bei den Angriffen der Werwölfe sterben sehen und selbst unzählige in die Hölle geschickt. Und das wegen eines Vampirs, der von einer Werwölfin abgelehnt wurde? Das konnte nicht sein, und doch hatte Viktor es ihm so unter vier Augen mitgeteilt. Über 1500 Jahre herrschte Krieg. Sie kämpften, starben und das alles ohne triftigen Grund?
Michail goss sich einen weiteren Whisky ein und setzte sich auf das Sofa. Den Kopf schüttelnd dachte er, wie sie nun ihre Vergangenheit begraben und von vorne beginnen mussten. Die Rassen sollten sich wieder annähern und zu ihren Ursprüngen zurückkehren, kam die Order von der Führung. Wie könnte er die letzten vierhundert Jahre einfach streichen und so tun, als gäbe es keine Vorbehalte oder tief empfundenen Hass für die andere Seite? Ihm wurde damals mit dem ersten Augenaufschlag als Vampir eingeimpft, was für Ungeheuer Werwölfe waren. Er war hart darauf trainiert worden sie zu beseitigen. Ein Feindbild wurde in seine Hirnwindungen gestanzt und jetzt sollte er sich mit diesen Geschöpfen an einen Tisch setzen? Ihm war bewusst, dass er sich Viktors Befehl fügen musste. Der König befahl und man hatte zu folgen, zumindest wenn man seinen Kopf auf den Schultern behalten wollte. Michail war bewusst, dass Viktor ihn sehr brüderlich behandelte, aber eine Befehlsverweigerung dieser Art, wäre auch für ihn nicht frei von Konsequenzen geblieben. Es war bereits hoch anzurechnen, dass er dem Regenten Widerworte geben durfte, ohne dafür mit Strafen rechnen zu müssen. Michail lachte bitter auf. Er war für Viktor und seine Rasse in Kriege gezogen, nun würde er sich für seinen König und sein Volk mit seinem Erzfeind treffen.
Er verspürte Hunger und überlegte, wann er das letzte Mal Blut getrunken hatte. Michail ging zu seinem Schreibtisch und nahm ein kleines Notizbuch aus einer Schublade. Bedächtig blätterte er die Seiten durch und fragte sich, wonach ihm heute der Sinn stand.
Rachedurst
Es läutete. Er fand es bedauerlich, dass Anna pünktlich war, denn ihm stand der Sinn danach, sie zu strafen. Michail lächelte kalt, bei dem Gedanken, dass er sich heute eigentlich gar keinen Grund suchen musste, um der Frau Leid zuzufügen. Der Tag als solches war Anlass genug. Er
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