Blutsbund 3 Michail
dies tat, musterte er den Vampir ohne Scheu. Die Geschichten stimmten, dass der Schlächter ein Koloss von Mann war. Sein Augenmaß sagte ihm, dass knapp zwei Meter hinkamen. Auch die Vermutungen über seine Kraft ließen sich anhand der Statur eindeutig bestätigen. Der Werwolf nahm die ausgeprägten Unterarme wahr, die durch ein weißes hochgekrempeltes Hemd freilagen. Auch das, was den Schlächter unter den Wölfen so gefürchtet machte, zeigte sich unverhohlen. Das kälteste Grinsen, das er je zu Gesicht bekommen hatte, in Kombination mit grünen Augen, die vor Hass und Zorn förmlich sprühten.
Selbst die Beschreibung seiner schwarzen langen Haare, die zu einem Zopf gebunden waren, stimmte überein. Es erstaunte ihn allerdings, wie verhältnismäßig jung der andere aussah. Wenn er an den Schlächter dachte, ging ihm ein älterer Mann durch den Kopf, aber der vor ihm stehende Vampir sah aus, als hätte er knapp die 30 überschritten.
Er ließ sich langsam auf einen der freien Stühle an dem zentralen Tisch gleiten und deutete mit der Hand auf den gegenüberstehenden Platz. Er zuckte leicht mit dem Mundwinkel bei dem Gedanken, dass er eigentlich vor Angst hätte umkommen sollen, sich allerdings ausgesprochen entspannt fühlte. Er war sich nicht sicher, ob es nun an dem bereits getrunken Wodka lag, oder aber an der Tatsache, dass der Schlächter ihn nicht töten durfte.
»Michail Romanow«, sagte Alexander schlicht, öffnete den Wodka und goss die Gläser voll.
Der Vampir lachte überrascht. Hier hätten sich vor wenigen Sekunden noch viele Männer fast in die Hosen gemacht und fluchtartig den Raum verlassen. Doch Alexander Voltan saß mit einem Lächeln im Mundwinkel da, bot ihm einen Sitzplatz sowie ein Glas Wodka an und war die Ruhe in Person. Wobei Michail durchaus auffiel, dass sein Gegenüber ausgesprochen aufmerksam war.
Er schritt langsam auf den Werwolf zu, drehte sich den Stuhl so, dass er die Rückenlehne vor sich hatte, und nahm Platz.
»Alexander Voltan«, antwortete Michail ebenso gelassen.
Sie musterten sich einen Moment gegenseitig. Michail hatte noch alles an Informationen zu Alexander studiert, ehe er sich auf den Weg gemacht hatte. Es würde nicht mehr lange dauern und sein Gegenüber war der Anführer der russischen Werwölfe, denn er war Oleg Voltans Sohn. Dass er einer der gefährlichsten Werwölfe sein sollte, sah man ihm auf den ersten Blick nicht an, aber der zweite verriet durchaus, dass der Mann es in sich hatte. Michail hatte seine Gesamtstatur schon erfasst, als dieser an den Tresen gegangen war und die geschmeidigen muskulösen Bewegungen waren nicht unentdeckt geblieben.
Jetzt, wo der Werwolf sich zurückgelehnt hatte, zeichneten sich klar definierte Muskeln unter dem dünnen Stoff des Shirts ab. Michail sah, dass die grauenblauen Augen des Wolfes ihn ebenso aufmerksam und wachsam musterten. Die ebenfalls schwarzen Haare des anderen waren kurz gehalten und ihn verwunderte das schmale und fein geschnittene Gesicht des Mannes. Er hatte zwar die Fotos überflogen, aber aus der Nähe war Michail doch über die Perfektion von Mutter Natur erstaunt. Obwohl der Werwolf ihm altersmäßig ebenbürtig war, sah er aus wie Mitte zwanzig.
Der Vampir wusste durch die Unterlagen, dass Alexander gerade zu einer Pflichtehe genötigt worden war. Das Foto seiner frisch angetrauten Frau hatte ihn voller Hohn lachen lassen.
Michail drehte das Glas vor sich langsam im Kreis und beschloss, den anderen aus der Reserve zu locken. »Und, wie ist so das Eheleben?« Seine Augen funkelten vor Amüsement.
Alexander spitzte kurz die Lippen, beugte sich vor und sagte lächelnd: »Glaub mir, das wünsche ich nicht mal dir!« Er hob sein Glas und trank es in einem Zug leer.
Michail lachte verblüfft über diese Erwiderung, nahm den Wodka und kippte sich diesen ebenso in den Rachen. Kaum hatte er das Glas abgestellt, füllte der Werwolf nach.
Der Vampir war erstaunt. Eigentlich war er hier wie die Axt im Walde einmarschiert und wollte neben Überraschung, für Angst und Schrecken sorgen. Alexander Voltan hatte ihm jedoch durch Gelassenheit und Humor umgehend den Wind aus den Segeln genommen.
»Ja, die Sache mit den Pflichten ist schon etwas für sich. Deshalb bin ich hier«, erwiderte er.
Alexander dachte an Valjas Aussage und stellte fest, dass der andere Werwolf mit seiner Vermutung richtig lag.
»Termin für das Treffen beider Räte und die Punkte der Sitzung festlegen, soweit ich weiß?«, fragte
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