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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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Marybeth kuschelten sich auf der Matratze aneinander.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Joe.
    »Wir haben eben über April gesprochen«, sagte Sheridan ernst. »Wir waren heute Abend alle irgendwie traurig.«
    Joe versuchte, Marybeths Miene zu deuten. Sie wirkte ausgelaugt und matt und blickte nicht zu ihm hoch.
    »Habt ihr was gegessen?«, fragte er.
    Sheridan schüttelte den Kopf.

    »Bitte bring Lucy runter und macht euch was zum Abendbrot«, sagte er zu ihr. »Wir kommen gleich nach.«
    Marybeth löste sich von Sheridan. Als die Mädchen weg waren, schloss er behutsam die Tür und setzte sich zu ihr aufs Bett.
    »Du hast getrunken«, sagte sie. »Das rieche ich.«
    Joe gab einen undefinierbaren Laut von sich.
    »Marybeth, wir müssen über das hier reden«, sagte er und zerrte ihren Handschuh aus der Jackentasche.
    Er beobachtete sie genau, als sie den Handschuh nahm.
    »Ich hab gar nicht gemerkt, dass ich den verloren habe.« Sie drehte ihn in der Hand und knüllte ihn zu einem Ball.
    Joe spürte etwas Heißes in sich aufsteigen.
    »Du weißt, wo ich ihn her habe, stimmt’s?«
    Sie nickte. Endlich schaute sie ihm in die Augen.
    »Ich hab deinen Pick-up am Straßenrand gesehen«, erklärte sie ausdruckslos. »Also bin ich in die Forstverwaltung gegangen. Melinda Strickland saß am Schreibtisch, und ihr Blut war an der Wand …«
    Joes Erleichterung war besser als der beste Bourbon. Dann ging ihm etwas auf, das ihn erschreckte.
    »Du glaubst, ich hab es getan«, stellte er fest.
    Die gleiche Erleichterung, die Joe gespürt hatte, trat nun in Marybeths Miene.
    »Joe, du bist es nicht gewesen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie genauso gefunden wie du. Und dann den Handschuh …«
    »Oh.« Ihr war klar, was er gedacht haben musste. »Joe, ich wusste, dass du zu ihr gefahren bist, und ich dachte …«
    Sie umarmten sich erlöst. Marybeth weinte, lachte und weinte erneut. Nach einigen Minuten schob sie ihn sanft von sich.

    »Dann hat sie sich also umgebracht?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall.«
    »Wer ist es dann gewesen?«
    Er zögerte kurz.
    »Nate.«
    Sie stand auf, trat ans Fenster und blickte in den Schnee hinaus.
    »Er muss zurückgekehrt sein, nachdem wir das Gebäude verlassen hatten. Ich war derweil in der Bar. Er sah mich in der Bar verschwinden, wusste also, dass ich ein Alibi habe. Dann ist er wieder in Stricklands Büro. Ich hab geglaubt, ich hätte ihn verloren. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht klar denken. Er muss Stricklands Waffe an sich gebracht und ihr aus kürzester Distanz in den Kopf geschossen haben.«
    »Oh Gott«, seufzte Marybeth und stellte sich offenbar die Szene vor.
    »Er glaubt nicht an das Rechtssystem, sondern an Gerechtigkeit, hat er mir mal gesagt«, erklärte Joe. »Wir haben es auf meine Art probiert, und es hat nicht geklappt. Anders als seine Methode.«
    »Was wirst du jetzt tun?«
    Joe seufzte und rieb sich das Gesicht. Er spürte, dass Marybeth ihn besorgt musterte und in seiner Miene nach einem Hinweis auf seine Gedanken suchte.
    Schließlich schaute er ihr in die Augen und erwiderte leise: »Ich werde Melinda Strickland zu einer Heldin machen.«
    Marybeth war verblüfft.
    »Wir haben ihr einige Papiere dagelassen, die man bei der Untersuchung des Tatorts finden wird. Aber es wird Tage dauern, alles zu analysieren. Morgen rufe ich Elle Broxton-Howard an und gebe ihr das Interview, das sie haben will – die Mutter aller Interviews sogar: den exklusiven Insiderbericht
über Melinda Stricklands letzten Lebenstag. Ich werde ihr sagen, seit der Schießerei am Battle Mountain hätte Aprils Tod Strickland gequält, ja verzehrt. Sie hätte mir bei der Besprechung in ihrem Büro alles erzählt und die Stiftung beschrieben, die sie schaffen wollte. Ihre Sekretärin wird das Treffen bestätigen. Ja, sie ist mit der Schuld einfach nicht fertiggeworden«, setzte Joe hinzu. »Deshalb hat sie sich das Leben genommen. Doch zuvor hat sie noch ihr Kündigungsschreiben verfasst und als Vermächtnis die April-Keeley-Stiftung gegründet.«
    Die Geschichte nahm beim Erzählen Gestalt an, und zugleich wuchs seine Überzeugung, dass sie funktionieren würde. Er holte tief Luft und blickte seine Frau Bestätigung heischend an.
    Marybeth musterte ihn mit glänzenden Augen. »Manchmal versetzt du mich in Erstaunen«, sagte sie.
    »Das wird eine Wahnsinnsreportage.« Er schüttelte den Kopf.
    Es entstand eine lange Pause.
    »Und was wirst du wegen Nate unternehmen?«
    Joe

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