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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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um die Fichte, um sich ihr von der Gegenseite zu nähern. Als er durch den Schnee trottete, sah er erst eine Schulter, dann einen Stiefel von Gardiner hinter dem Stamm auftauchen. Gardiners Körper dampfte – zweifellos, weil er sich in der klirrenden Kälte in Schweiß gearbeitet hatte.
    »Raus mit Ihnen, sofort!«, befahl Joe.
    Doch Lamar Gardiner konnte ihm nicht gehorchen, und als Joe näher kam, begriff er, warum.
    Er hörte sich nach Luft schnappen, und fast wäre ihm die Schrotflinte aus der Hand gefallen.
    Gardiner war mit zwei Pfeilen an den Baum geheftet. Sie hatten seine Brust durchbohrt, waren tief in den Stamm gedrungen und hatten ihn aufrecht an die Fichte genagelt. Sein Kinn lag auf der Brust, und Blut rann ihm vom Hals. Seine Kehle war durchgeschnitten. Der Schnee um den Baum war
von Stiefeln zertrampelt. Gardiners Kleidung war mit Blut getränkt, das sich in einer dampfenden Lache zu seinen Füßen gesammelt und den Schnee herzförmig zum Schmelzen gebracht hatte; die Farbe am Rand erinnerte an Himbeereis. Joe war überwältigt vom stechenden Kupfergeruch des frischen Bluts.
    Mit plötzlich wild pochendem Herzen drehte er sich langsam um, blickte in die Richtung, in der sich der Mörder befinden musste, und betete, dass der Killer nicht mit einem weiteren Bogen auf ihn zielte.
    Er dachte: Er sorgt dafür, dass die Jäger verantwortlich handeln und sich an die Gesetze halten. Das kann gefährlich sein, doch mein Vater macht seine Arbeit sehr gut. Seit dreieinhalb Jahren leben wir nun in Saddlestring, und seitdem macht er diese Arbeit. Manchmal rettet er Tiere aus Gefahr …

2
    Die elfjährige Sheridan Pickett schlang sich ihren Rucksack über die Schulter und schloss sich dem Strom der Viert-, Fünft – und Sechstklässler an, der durch die Flügeltüren der Grundschule von Saddlestring in den Schneesturm hinausdrängte. Es war der letzte Unterrichtstag vor den zweiwöchigen Weihnachtsferien. Das und der Sturm schien alle in Aufregung zu versetzen, auch die Lehrer, die der zunehmenden Begeisterung der Schüler begegnet waren, indem sie ihnen den ganzen Tag lang Filme vorgeführt und die Zeiger der Uhr im Blick behalten hatten, bis endlich um halb vier die Schulglocke läutete und die Kinder sich auf den Heimweg machen konnten.
    Zwölf Jungen aus der Fünften, Sheridans Klassenkameraden, drängten sich johlend durch die Menge und gingen auf dem Schulhof in die Hocke, um die ersten richtigen Schneebälle des Winters zu fabrizieren. Doch die Flocken waren zu pulverig, um sich zu Kugeln formen zu lassen. Also schütteten sie ihren Mitschülern den Schnee einfach in die Kragen. Sheridan gab sich redliche Mühe, die Jungen zu ignorieren, und wandte den Kopf ab. Es schneite richtig stark, und die Flocken lagen schon über zehn Zentimeter hoch. Eine geschlossene Wolkendecke hing grau und schwer am Himmel, und der Schnee fiel so dicht, überlegte Sheridan, dass es schwierig wäre, einen Fremden davon zu überzeugen, dass es in dieser Gegend tatsächlich Berge gab und die bucklige Bergkette der Bighorn Mountains normalerweise den westlichen Horizont prägte. Sie vermutete, dass es dort oben noch heftiger schneite.
    Nachdem sie sich aus der Menge gelöst hatte, trat sie am Ende des Maschendrahtzauns auf den Gehsteig und lief an
dem roten Ziegelgebäude entlang zum anderen Flügel der Schule. Diesen Teil des Gebäudes kannte sie gut. Die Grundschule von Saddlestring war geformt wie ein H, wobei der eine Flügel den Kindergarten und die Klassen eins bis drei beherbergte, der andere je zwei vierte bis sechste Klassen. Verwaltung, Turnhalle und Schulkantine trennten die beiden Flügel. Sheridan war im letzten Jahr in den sogenannten »Großen Flügel« umgezogen und hatte einmal mehr zur jüngsten Gruppe gezählt. Damals hatte sie Fünftklässler besonders unausstehlich gefunden; sie bildeten Cliquen, deren einziger Zweck es zu sein schien, die Viertklässler zu quälen. Jetzt war sie selbst in der Fünften, doch sie hielt diese Einschätzung noch immer für richtig. Die fünfte Klasse war einfach zu gar nichts gut, war überflüssig. Fünftklässler waren einfach bloß in der Mitte.
    Die Sechstklässler dagegen kamen Sheridan fern und reif vor und schienen die Grundschule – jedenfalls was ihren gesellschaftlichen Status anlangte – bereits hinter sich gelassen zu haben. Kein Schüler war größer als die Mädchen aus der Sechsten, die alle anderen Kinder überragten – von einigen wenigen Jungen abgesehen.

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