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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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und New Seattle war aus der Asche der Vorgängerstadt wieder auferstanden. Fünfzig Jahre Unterstützung durch die mächtige Kirche hatten die Mission auf ihre herausragende Position gehievt. Jeder, den die Mission einsetzte, war von Kindesbeinen an darauf vorbereitet worden, die Menschheit vor denen zu schützen, die Hexerei praktizierten und dabei wahllos mordeten. Die Unschuldigen, die den Hexen in einem einzigenvernichtenden Schlag zum Opfer gefallen waren, gingen in die Hunderttausende.
    Naomi war seit mehr als zwanzig Jahren Missionarin. Trotzdem mischte sie in dem intriganten Spiel nicht mit, das sich Politik nannte. Aus diesem Grund war sie immer noch eine einfache Agentin, keine Teamleiterin. Keine Schreibtischtäterin wie etwa die derzeitige Missionsleiterin.
    Naomi war Agentin im Außendienst.
    Jemand, der tötete.
    Ihr gefiel es, wenn sie so arbeiten konnte, wie es ihr am meisten lag: wenn sie ihre Waffe ziehen konnte   – die Waffe, die sie verdammt noch eins hier nicht hatte!
    »Wie auch immer«, meinte sie knapp, drehte sich um und stolzierte wieder auf das Luxussofa zu. »Können wir jetzt zu dem Teil der Operation kommen, wo ich meine Waffe zurückkriege?«
    Erneut stieß Eckhart einen Drei-Ton-Pfiff aus. Das sollte Naomi sagen, dass er daran arbeitete. Dass es eine mega-komplizierte Angelegenheit sei. »Nai«, begann er gedehnt, »was ist los?«
    »Was soll schon los sein? Das hier ist eine Reiche-Zicken-Oase   …«
    »Nein«, unterbrach er sie barsch. Die Stimmen im Hintergrund verstummten. Sofort senkte Eckhart die Stimme wieder. »Ich meine nicht, was da oben los ist. In der Oberstadt zu sein kannst du nicht ausstehen. Das weiß ich. Ich meinte: Was ist los mit dir? Als wir dich gefunden haben, warst du eingebuchtet.«
    Naomi schnaubte. Dafür, dass man die eine Gefängniszelle gegen eine andere tauschen durfte, schuldete man niemandem Dankbarkeit. Ob raue Betonwände oder Flure mit eleganten Tapeten, das machte für Naomi keinen Unterschied.
    Sie ließ die Hand sinken und starrte in den Spiegel gleich über dem Kamin. Der Spiegel bestand aus vielen Einzelfeldern und war goldgerahmt, die Kamineinfassung, über der er an der Wand thronte, glänzend schneeweißer Marmor, glatt wie ein Kinderpopo. Das nackte Gesicht im Spiegel erkannte Naomi nicht. Volle, sinnlich geschwungene Lippen, hohe Wangenknochen, das Jochbein scharf wie eine Messerschneide, glattes schwarzes Haar   – ohne die grell blauen Strähnen, die Naomi noch gestern gehabt hatte. Ohne Piercings.
    Himmel, sie vermisste ihre Piercings!
    Abgesehen von der verschorften Schramme quer über ihrer Nase sah Naomi aus, als wäre sie reich. Verhätschelt und verwöhnt. Verweichlicht.
    Sie sah aus wie ihre Mutter.
    Die Erkenntnis brachte sie dazu, wieder im Zimmer auf und ab zu tigern. Von der Fensterfront zum Sofa, von dort zur massiven und dennoch überraschend leichtgängigen Schiebetür des Schlafzimmers und zurück zum Sofa.
    Verflucht sollte der Orden sein! Verflucht die neue Leiterin der New-Seattle-Mission, die entschieden hatte, Naomi hinter den Hochglanz-Türen von New Seattles Luxus-Resort Nummer eins, dem Spa aller Spas , einzusperren. Die Tussi hatte das mir nichts, dir nichts entschieden, weil das ihres Erachtens nach die einzige Lösung für ein Problem war, das dadurch zu Naomis Problem wurde.
    Verdammte Panik schüttelte Naomi jetzt derart heftig, dass es in ihrer Brust summte und vibrierte wie in einer Stromleitung.
    Mit einer jähen Bewegung ließ sich Naomi auf die Sofalehne fallen. »Eckhart«, sagte sie und klang dabei erschöpft, »warum zum Henker bin ich hier? Joe Carson ist kein Hexer. Er ist Missionar. Warum also soll ich ihn erledigen?«
    »Joe Carson ist nicht irgendein gewöhnlicher Missionar, Nai. Du erinnerst dich doch sicherlich noch an den Schlamassel mit Smith, oder? Stell dir vor, er hätte lang genug überlebt, um durchzudrehen.«
    Wie Eiswasser lief es Naomi den Rücken hinunter.
    Gerade einmal drei Monate war es her. Drei beschissene Monate, seit ein Missionar, den sie von Kindesbeinen an kannte, demsie zum ersten Mal in einem der gottverlassenen Waisenhäuser der Mission begegnet war, sich gegen Kirche und Mission gestellt hatte.
    Sich gegen sie, Naomi, die Gefährtin aus Kindertagen, gestellt hatte.
    Der Missionar Silas Smith und sein Hexenliebchen waren buchstäblich in Rauch aufgegangen. In einem Flammeninferno, das ein Hexenzirkel tief in den Ruinen des alten Seattle entfacht hatte, hatte es sie

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