Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
sein, der Sohn eines Greifen und einer Menschenfrau, einerseits gesegnet mit Salas Macht und
     ihrem Licht, andererseits vergiftet durch den dunklen Gott. Das Schlimmste an allem war, dass Degan wusste, dass es stimmte.
     Sein Zorn und sein starker Trieb; er hatte schon immer gespürt, dass er anders war als sie. Doch was sollte er nun tun? Wohin
     gehörte er wirklich? War er mehr Mensch oder mehr Greif? Wo lagen seine Wurzeln? Wo war Xiria?
    Immer wieder ertappte er sich dabei, wie seine Gedanken abschweiften, wie er sich nach ihr sehnte. Sie war anders – ebenso
     wie er. Lin hatte er bereits vergessen – was war ihre Trauer schon im Vergleich zu seinem Schicksal!
    Schließlich – als sein Kopf zu zerspringen drohte – war er in einen leichten Schlaf gefallen. Er träumte von einem dunklen
     Greif, der in seiner Fensteröffnung saß und ihn beobachtete. Dann schob sich
ihr
Gesicht vor dieses Trugbild. Helle strahlende Augen, langes weißes Haar und ein Gesicht wie eine Göttin. Er brauchte sie,
     er brauchte jemanden an seiner Seite, der ebenso anders war wie er selber. Unruhig wälzte er sich auf seinem Lager herum und
     meinte, ihre Stimme an seinem Ohr zu hören, ihr Haar auf seinem Gesicht zu spüren. Sie sagte ihm, er solle warten, sie werde
     zurückkehren, doch sie müsse nun gehen und lernen. Dann war sie fort, und Degan fuhr schweißgebadet hoch. Nichts! Sein Raum
     war leer, die Feuerbecken waren mittlerweile erloschen, und es dämmerte. Sein Kopf war schwer vom Weinrausch, und er fühlte
     sich noch immer allein. Degan stolperte und wankte, als er aufstand und zur Fensteröffnung |310| torkelte. Suchend sah er hinaus, doch da war niemand. Es war nur ein Traum gewesen. Xiria war fort. Sie hatte sich mit ihren
     Schwingen in die Luft erhoben und hatte Engil hinter sich gelassen.
    Könnte ich das doch auch!
fuhr ihm der Gedanke durch den Kopf.
Könnte ich ihr doch einfach folgen und frei sein! Mein ganzes Leben war nur eine Lüge.
    Degan wankte zurück zu seinem Lager und ließ sich darauf fallen. In seinem Kopf wirbelte es, wenn er die Augen schloss, doch
     wach zu bleiben schien ihm unerträglich. Degan brauchte eine Weile, bis er endlich erneut Schlaf fand.
    Erst am frühen Mittag wurde er geweckt. Durch seine Fensteröffnung drang Tumult. Menschen schrien und weinten laut, und die
     Klänge der Falbhörner drangen an seine Ohren. Mit einem Stöhnen setzte sich Degan auf und ging dann, etwas sicherer als noch
     in der Nacht, hinüber zur Fensteröffnung. Als er hinaussah, erkannte er die vielen Menschen, die sich vor Salas Tempel drängten.
     Die Engilianerinnen knieten auf dem Boden vor der Tempelpforte und bewarfen sich mit Sand von der Straße. Dies bedeutete,
     dass jemand gestorben war – sie trauerten.
    Degan fuhr die Angst wie ein Schwerthieb durch den Körper. Was war, wenn sie Xiria gefunden und sie getötet hatten? Aber warum
     trauerten die Menschen dann? Niemand von ihnen hatte Xiria gekannt … niemand kannte sie … nur er! Hektisch sah er sich um
     und fand seine Beinkleider und sein Hemd vom Vorabend. Er hatte keine Zeit, eine Dienerin zu rufen, um sich eine Waschschüssel
     bringen zu lassen. Er musste sofort hinunter zum Tempel.
Xiria!
hämmerte es in seinem Kopf ohne Unterlass.
    Als er angekleidet war, stieß er die Tür seiner Gemächer so schnell auf, dass er beinahe Lin, die mit einer Schale vorbeiging,
     umgerannt hätte. Lin sprang zurück, und ehe sie etwas hätte sagen können, lief er an ihr vorbei, hinaus aus dem Haus.
    Er stolperte zweimal, als er den Hügel hinunter zum Tempel rannte. Sein Herz schien vor Angst beinahe zu zerspringen. Als
     er |311| sich durch die Menschen zu den Tempelstufen vorbeigedrängt hatte, atmete er tief durch. Er durfte das aufkommende Gefühl von
     zorniger Verzweiflung nicht zulassen. Er musste sich beherrschen. Degan drängte sich an einer Gruppe weinender Priesterinnen
     vorbei und wurde etwas ruhiger. Sicherlich hätten sie nicht um Xiria geweint; trotzdem musste er Sicherheit haben. Mit Bedacht
     öffnete er die Tempelpforte nur einen Spaltbreit und schob sich hindurch. Den zerschmetterten Körper vor Salas Altar erkannte
     er bereits von weitem. Es war Liandra, die Hohepriesterin Salas. Neben ihr kniete seine Mutter, die bereits begonnen hatte,
     Liandra zu waschen und für die Reise in Salas Reich vorzubereiten.
    »Mutter«, rief Degan aufgebracht.
    Ilana erhob sich rasch und kam zu ihm. Degan sah, dass sie geweint hatte. »Sie hat

Weitere Kostenlose Bücher