Blutschwestern
zu tun, als sie zu beobachten. Dann begann es tatsächlich Laute zu formen, die Xiria
nicht verstand.
»Wehe Salas Licht vergeht, wenn Muruk wieder aufersteht. Weiße Schwingen rot vom Blut, Menschenvolk sei auf der Hut.«
»Xiria hören … mehr«, suchte sie nach Worten, denn obwohl sie den Zusammenhang der Laute nicht verstanden hatte, erkannte
sie, dass das Wesen sprach wie Degan oder Mutter es getan hatte. Begehrlich näherte sie sich ihm mit einem krampfhaften Lächeln,
in der Hoffnung, mehr zu hören.
Das Wesen wies jedoch nur mit einem knorrigen Finger auf ihre Schwingen. Xiria meinte zu verstehen, dass die Reste von
Mutter
, die an ihren Schwingen Flecken hinterlassen hatten, die Aufmerksamkeit des Wesens auf sich gezogen hatten, auch wenn sie
nicht wusste weshalb. »Mutter«, sagte sie deshalb erklärender Weise, doch ehe sie sich’s versah, traf sie ein harter Gegenstand
am Kopf. Xiria taumelte überrascht rückwärts und befühlte ihre Stirn. Ihre Hände waren rot, |317| und ihr Kopf begann heftig zu schmerzen. Hilflosigkeit und ein unangenehmes Gefühl überkamen sie. Warum hatte das Wesen das
getan? Xiria hatte nicht versucht, es in die Hütte zu sperren, wie
Mutter
es mit ihr getan hatte. Wieder flog etwas auf sie zu, und Xiria wich dem Stein mit einem Schritt zur Seite aus.
»Verschwinde, elendes Geschöpf Muruks, verdammtes Greifenweib!«, hörte sie das Wesen Laute formen. Am Klang der Laute erkannte
Xira, dass das Wesen sie hasste. Ein Gefühl von Unmut überkam sie.
Mutter!
dachte sie enttäuscht und empfand die Feindseligkeit der Anderen beinahe schmerzhafter als den Stein, den sie ihr an den Kopf
geworfen hatte. Ehe ein dritter Stein sie treffen konnte, erhob sich Xiria mit wenigen Flügelschlägen in die Luft und stieß
dann hinunter. Ihre Klauen packten des Wesen und zogen es mit sich in die Luft. Überrascht stellte sie fest, wie zerbrechlich
es war; viel zerbrechlicher, als
Mutter
es gewesen war. Das runzelige Fleisch gab sofort unter ihren Klauen nach, und die Gegenwehr erstarb, noch bevor Xiria das
Wesen fallen ließ. Anmutig setzte sie kurz darauf neben dem Geschöpf am Waldboden auf und rüttelte es an der zerfetzten Schulter.
Es regte sich nicht mehr! Sie betrachtete das Wesen eine Weile, wie es seltsam verdreht vor seiner Hütte lag, und erkannte,
dass es sie nichts mehr lehren konnte. Sie hatte den falschen Weg gewählt. Hier wurde ihr die gleiche Ablehnung entgegengebracht,
wie Xiria sie bereits allzu gut kannte. Sie erhob sich wieder über das Dach der Blätter und sah sich um. In der Ferne erkannte
sie hohe Steine, die so hell und weiß waren wie ihre Schwingen und ihr Haar. Dieser Anblick machte sie neugierig, und Xiria
beschloss, dort weiterzusuchen.
Degan stand neben Lin, als Ilana und Tojar den großen Scheiterhaufen in Brand setzten, auf dem Liandra angetan mit ihrem weiten
Priestergewand und der Priesterkrone, die man über das Kopftuch gesetzt hatte, ihre Reise in Salas Reich antrat. Die Flammen
züngelten schnell das trockene, mit Öl übergossene Holz empor, |318| Liandras Körper verschwand hinter der Flammenwand. Ilana und Tojar traten zurück und hoben die Hände. Noch einmal setzte allgemeines
Wehklagen ein, und die Engilianer bewarfen sich mit dem Sand der Straße. Degan beteiligte sich nicht am Klagegeschrei, obwohl
Lin ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. Nun, da er wusste, wer er war, hatte er das Gefühl, sich nicht mehr verstellen
zu müssen. Er hatte Liandra im Leben nicht gemocht, und er konnte auch im Tod keine Gefühle für sie aufbringen. Erst als das
Feuer hinuntergebrannt war und die Engilianer damit begannen sich zu zerstreuen, wagte Lin ihn anzusprechen. »Ich trage dir
nichts nach, Degan … jetzt, da ich weiß, wer du bist.«
Degan fühlte sich durch ihre Güte und verständnisvolle Art noch schlechter als ohnehin schon. »Du solltest es mir aber nachtragen,
Lin. Hast du nicht gesehen, was Xiria getan hat … die Greifin? Die Hälfte von mir ist genau wie sie. Und wollen Tojar und
Ilana sie nicht töten? Würden nicht alle Engilianer sie töten wollen, wenn sie von ihr wüssten? Müssten sie nicht auch mich
töten wollen, wenn sie wüssten, dass mein Vater ein Greif ist?«
Lin schüttelte schnell den Kopf. Ihre weichen Gesichtszüge zeigten Mitleid, was Degan noch wütender machte. »Du bist nicht
wie sie! Salas Licht leuchtet in dir. Du bist der Hüter und Bewahrer ihres Lichts. Du
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