Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)
dann stellte er die Ohren auf. Ich verlangte ihm viel ab, deswegen rutschte ich näher an ihn heran. »Lass mich hören«, bat ich, dann berührte ich seinen Fuß, um dem Klang der Kraftlinien zu lauschen.
Ich biss die Zähne zusammen, als plötzlich jede einzelne Linie der näheren Umgebung in meinem Kopf erklang. Es war ein berauschendes Gefühl – und damit der Grund, warum ich gewöhnlich eine Schutzblase um meine Gedanken errichtete, wann immer ich Bis berührte. Diesmal allerdings durchschnitt der Missklang meiner Linie die Schönheit. Das Geräusch sorgte dafür, dass mir die Zähne wehtaten und ich Kopfweh bekam.
»Mein Gott!«, sagte ich, ließ ihn los und starrte die Linie mit meinem zweiten Gesicht an. »Wie kannst du das nur ertragen?« Und wie soll ich in diesem Lärm irgendetwas finden?
Der katzengroße Gargoyle zuckte mit den Achseln, indem er seine Flügelspitzen über dem Kopf zusammenschlug. »Ich habe keine Wahl. Alle sind es leid, dieses Kreischen zu hören. Ich wurde angewiesen, es in Ordnung zu bringen, und zwar schnell.«
Ich erinnerte mich an die drei Gargoyles, die ich vor unserem Aufbruch heute Abend bemerkt hatte. Sie hatten auf dem Dach der Kirche gesessen und nach den Pixies gespuckt, um sie außer Hörweite zu halten, während sie sich mit rumpelnden Stimmen unterhielten. Ich wäre auf den Turm gestiegen, um zu lauschen, hätte ich nicht Angst gehabt, dass sie Bis mitnehmen und auf eine andere Kirche wechseln würden. »Du!«, meinte ich überrascht. »Aber es ist meine Kraftlinie!«
Seine roten Augen glühten im Laternenlicht unheimlich. »Und ich bin dafür verantwortlich, dass du sie geschaf fen hast.«
»Bis, das war nicht deine Schuld. Genauso wenig, wie es deine Schuld ist, dass Ku’Sox diesen Riss ausnutzt, um das Jenseits zu zerstören. Selbst wenn du mich nicht verlassen hättest, hätte ich in meinem Versuch herauszukommen, diese Linie erzeugt.« Ich schlang die Arme um den Oberkörper, weil mir bei dem Gedanken an damals kalt wurde. Ich hatte es vielleicht geschafft, durch die Linien zu springen, aber dabei hatte ich meine Aura beschädigt und ein Loch in die Realität gerissen.
»Aber ich habe dich verlassen«, sagte er, ohne mich dabei anzusehen.
Lächelnd legte ich eine Schutzblase um mein Bewusstsein und berührte seine Schulter. »Es war mein Fehler, nicht deiner. Warum musste ich auch versuchen, durch die Kraftlinien zu springen, bevor ich es konnte.«
Er schwieg. Sanft drückte ich Bis die Schulter, bevor ich ihn losließ. Ich wusste, dass er sich immer noch die Schuld daran gab. Seitdem hatte er sich sehr verändert. Er war ernster geworden, wachte tagsüber immer mal wieder auf und neigte weniger dazu, den Pixies Streiche zu spielen. Er wurde erwachsener. Ich machte mir Sorgen, ob er wegen mir seine Kindheit zu früh hinter sich ließ. »Haben dich deswegen immer wieder Gargoyles auf dem Dach besucht?«, fragte ich, ohne mir sicher zu sein, ob er antworten würde.
Sofort besserte sich Bis’ Laune. »Sie bringen mir die Vibrationen ihrer Linien bei«, erklärte er stolz. »Normalweise wird ein Gargoyle nur von einem anderen unterrichtet, aber die Kraftlinien benehmen sich nicht normal. Deswe gen wechseln sie sich darin ab, mir ausschließlich ihre Linie vorzusingen. Diejenige, die sie am besten kennen.«
»Dämonen?«, stammelte ich. »Du hast mit Gargoyles gesprochen, die an Dämonen gebunden sind?«
Er nickte und nahm eine so tiefschwarze Färbung an, dass er fast unsichtbar wurde. Seine roten Augen leuchteten unheimlich. »Sie versuchen, mir alle Linien vorzusingen, damit ich sie dir beibringen kann. Ich kenne bis jetzt nur ein paar Gargoyles, weil die meisten das Jenseits und ihre Dämonen nicht verlassen. Sie wollen, dass ich zu ihnen komme.«
Verängstigt senkte er den Blick, und ich runzelte die Stirn. »Die Kraftlinien verhalten sich nicht so wie sonst«, erklärte er, schaute auf die Linie vor uns und trat von einem Fuß auf den anderen. »Die Dämonen brauchen ihre Gargoyles, als hätten sie gerade erst gelernt, durch die Linien zu springen.«
Ich nickte, weil ich mich an meinen Sprung von der Einkaufspromenade in Newts Küche erinnerte. »Sie bringen dir bei, durch die Linien zu springen.« Er grinste, und das Licht glänzte auf seinen breiten, schwarzen Zähnen.
»Ja.«
Ich sah zwischen meiner Kraftlinie und ihm hin und her. »Also weißt du, wie einige der Linien klingen?«
Er nickte, dann verzog er das Gesicht. »Ich weiß, wie sie
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