Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)
wappnete mich, aber es stieg kein Bild der Linien in meinem Kopf auf. Bis hatte sich mit mir verbunden. Jetzt konnte ich nur noch seine Bilder fühlen.
»Ich hatte gehofft, dass Bis mein Lebensgefährte werden würde«, sagte sie. Jenks gab ein gequältes Jaulen von sich.
»Tut mir leid«, antwortete ich, als ich der Geste ihres ausgestreckten Fingers folgte und mir meinen Weg durch das hohe, nasse Gras bahnte. »Ich wollte nicht …«
»Es ist okay«, unterbrach sie mich. »Ich wollte nur, dass Sie wissen, dass ich ihn schon mein gesamtes Leben kenne. Und jetzt nennen sie ihn den Weltenbrecher. Er soll derjenige sein, auf den wir alle gewartet haben – der Gargoyle, der die Kraftlinien zu einem neuen Lied führen oder uns vollkommen zerstören wird.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. Weltenbrecher? Alle Gargoyles, an denen ich schon einmal vorbeigekommen war, drehten sich um. Mir wurde ein wenig übel, als ich erkannte, wo wir hingingen. Was für ein toller erster Eindruck. »Glissando …«, setzte ich an, aber feste Krallen bohrten sich in meine Schulter und brachten mich zum Schweigen.
»Er war einfach immer nur mein Freund«, sagte sie mit barscher und doch weiblicher Stimme. »Und jetzt?« Sie zö gerte mit einem Schnauben. »Ich meine, kann der Goyle, der die Hälfte seines Wachseins damit verbringt, auf fliegende Vögel zu spucken, wirklich derjenige sein, der alles ändern soll?«, fragte sie so klagend, dass Jenks kicherte. »Er ist ein normaler Kerl, nicht der Retter, für den sie ihn alle halten. Der dämliche Plattfuß macht so viel Lärm, dass er nicht mal im Flug eine Taube fangen kann.«
Retter?, dachte ich verwirrt. Die Gargoyles hielten Bis für jemanden aus ihren Weissagungen? Wieso hatte ich davon noch nie gehört? »Ich, ähm, versuche, ihn zurückzuholen.«
»Zurückholen?« Sie schnaubte, und Jenks schrie sie an, als sie ihren Schwanz um meinen Hals schlang, um das Gleichgewicht zu halten. »Er lernt die Linien«, erklärte sie sarkastisch. »Aus der Realität kann er gar nichts erreichen.«
Er bedeutete ihr wirklich etwas. Schuldgefühle verkrampften mir den Magen. Verdammt, ich hatte Bis’ Leben wirklich durcheinandergebracht, und jetzt schwebte er in ernster Gefahr. »Glissando, ich mag Bis wirklich. Er ist mir wichtig, weil er ein Teil meiner Familie ist, nicht wegen eines Ammenmärchens. Wir werden diese Linie in Ordnung bringen. Ich werde ihn nicht im Stich lassen.«
Die kleine Gargoyle atmete tief durch. »Danke«, sagte sie mit gesenktem Kopf. »Ich werde ihnen sagen, dass Sie kommen. Das sind sie, direkt da drüben.«
Sie breitete ihre Flügel über meinem Kopf aus, und ich versteifte mich. »Warte. Wenn sie Bis den Weltenbrecher nennen, wie nennen sie dann mich?«
Glissandos Schwanz löste sich von meinem Hals, und ihr Gewicht verlagerte sich. »Sie sind sein Schwert, um die Linien zu brechen.«
Ich blinzelte und starrte ungläubig hinter ihr her, als sie mühelos abhob.
»Heiliger Dreck!«, rief Jenks. »Ich habe Miete vom Retter der Gargoyles verlangt?«
Ich schluckte schwer und zwang mich, in Bewegung zu bleiben. »Und von seinem Schwert«, sagte ich. Ich fand, das war eine schwere Last, die sie diesem Jungen da auf die Schultern legten. »Wozu macht dich das?«
»Zum Vermieter!«, erklärte er befriedigt. »Beeil dich, ja? Es ist kalt.«
Ich konnte den Humor der Situation nicht erkennen. Vorsichtig trat ich auf das Stück ungeweihten Boden, das durch eine rote Zementplatte und Pierce’ Grab gekennzeichnet wurde. Sechs große Gargoyles, Männchen und Weibchen, hockten mit auf dem Rücken gefalteten Flügeln auf den umgebenden Grabsteinen. Hinter ihnen saßen Dutzende weitere und beobachteten uns ebenfalls. Ein riesiger Gargoyle saß auf der Engelsstatue, und seine Krallen hinterließen kleine Kratzer auf dem Gesicht der himmlischen Gestalt. Sie sahen aus wie Tränen.
Nervös verlagerte ich mein Gewicht, und der große Gargoyle kniff seine großen roten Augen zusammen. Es war deutlich zu erkennen, dass sie sich ungern so nahe am Boden aufhielten, aber damit befanden sie sich auch näher an der einzigen Kraftlinie von Cincinnati, die summte und nicht kreischte. »Ähm, hi«, sagte ich und winkte ihm kurz zu. Der Rest der Gargoyles bewegte rauschend die Flügel. Ich habe zwei der mächtigsten Ringe der Welt in meiner Tasche und bin trotzdem in Gefahr, zerquetscht zu werden. »Ähm, Sie müssen Bis’ Vater sein.«
»Ich bin Etude«, antwortete der Gargoyle auf der
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