Blutseele
ob ich schon aufhören konnte. Die Blätter waren nur noch eine grüne Schicht auf dem Boden. Der Fernseher wurde lauter, als Werbung eingeblendet wurde, und ich hätte fast verpasst, dass meine Mom Robbie schalt. »Glaubst du, ich lasse sie in ein Wohnheim ziehen? Sie wird schneller müde, als sie sich anmerken lässt. Sie ist noch nicht ganz wieder auf der Höhe. Sie versteckt es nur besser.«
Meine Schulter tat weh, aber nach diesem Satz würde ich nicht aufhören, bis ich fertig war. Mir ging’s gut. Mir ging’s sogar prima. Ich hatte sogar angefangen zu joggen, auch wenn ich mich nach dem ersten Lauf im Zoo übergeben hatte – die vielen Hügel. Aber jeder übergibt sich nach dem ersten Mal.
Doch es gab einen Grund dafür, dass so wenige Bilder von mir vor meinem zwölften Geburtstag existierten, und es hatte absolut nichts damit zu tun, dass wir uns die Filme nicht hätten leisten können.
Ich atmete tief durch, legte den Stößel zur Seite und schüttelte meinen Arm aus. Er schmerzte von der Hand bis zur Schulter. Ich entschied, dass die Stechpalme genug gestampft worden war, und streckte mich nach dem Umschlag mit Efeuwurzeln, die ich früher am Abend von der Pflanze meiner Mutter abgekratzt hatte. Die winzigen Wurzeln mussten von den Stängeln kommen, nicht aus der Erde, und das Buch erklärte, dass sie als Bindemittel dienen sollten, um die Essenz einer Person zusammenzuhalten.
Ich riss den Kopf hoch, als der Fernseher ausgeschaltet wurde, aber dann machte einer von ihnen die Stereoanlage an. »Jingle Bells« in einer Jazzversion. Ein Klassiker meines Dads.
»Schau, es schneit wieder«, sagte Robbie leise. Ich warf einen Blick zum Küchenfenster, das nur ein schwarzes Viereck war, vor dem helle Flocken aufblitzten, wann immer sie das Licht traf. »Das vermisse ich.«
»Du weißt, dass es hier immer einen Platz für dich geben wird.«
Bei dem verlorenen Klang ihrer Stimme zuckte ich zusammen und senkte den Kopf tiefer über den Mörser, während ich die Efeuwurzeln einarbeitete. Der Zauber roch angenehm nach Wein und Chlorophyll.
»Mom …«, flehte Robbie. »Du weißt, dass das nicht geht. Alle sind an der Küste.«
»Es war ja nur ein Gedanke«, antwortete sie bissig. »Halt den Mund und iss einen Keks.«
Meine Knie wurden weich. Ich wusste, wenn ich mich in den nächsten dreißig Sekunden nicht hinsetzte, würde ich umfallen, also ließ ich mich auf einen Stuhl sinken. Ich ignorierte meine zitternden Finger, zog die alte Waage meiner Mutter aus einer staubigen Kiste und wischte die Schalen mit einem weichen Lappen ab, dann stellte ich sie auf null.
Die Weinmischung brauchte noch Staub, um dem Geist etwas zu geben, um das herum er seinen kurzzeitigen Körper aufbauen konnte. Es war ein bisschen so, wie eine Wolke Staub brauchte, um Schneeflocken zu erzeugen. Ich musste ihn abwiegen, da man Staub sonst kaum abmessen konnte. Robbie hatte ein wenig Staub unter den Bänken einer Kirche gesammelt, während er unterwegs war, um sich einen Mantel zu kaufen, daher wusste ich, dass er frisch und stark war.
Mein Atem bewegte die Waagschalen, also hielt ich sie vorsichtig von mir weg, während ich den Briefumschlag mit dem Staub kippte. Der Staub, der Wein und die Stechpalme würden dem Geist Substanz geben, aber es war der andere Teil mit dem Zitronensaft, der ihn tatsächlich beschwor. Eibe war anscheinend ziemlich grundlegend, wenn es darum ging, mit den Toten zu kommunizieren; der Efeu band den Geist und variierte von Zauber zu Zauber. Und natürlich mein Blut, um den Zauber zu aktivieren, den Geist gleichzeitig anzuziehen und ihn in den Rauch zu bringen, der aufstieg, wenn der Zauber aktiviert wurde. Es gab nichts, was man tun konnte, um den Geist dauerhaft zu bin den, aber für eine Nacht funktionierte es. Genug Zeit, um ihm eine Frage zu stellen. Genug Zeit, um ihn nach dem Warum zu fragen.
Schuldgefühle und Sorgen ließen meine Hand zucken, und ich schüttete zu viel Staub aus dem Umschlag. Bitte sag, dass ich zur I. S. gehen soll, dachte ich, während ich ab wechselnd auf das Staubhäufchen blies und die Luft anhielt, bis die Waage den richtigen Wert anzeigte.
Mit vorsichtigen Bewegungen, um keinen Luftzug zu erzeugen, holte ich den kupfernen Zauberkessel mit dem Zitronensaft und schüttete den Staub hinein. Als die graue Masse schwarz wurde und sank, atmete ich tief durch.
Auf dem Küchentisch stand die Kiste mit den Gerätschaften, und ich wühlte darin herum, bis ich einen gläsernen
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