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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Sie würden mich jetzt niemals den körperlichen Test bestehen lassen. Ich war schwach und zerbrechlich. Ein schwaches Mädchen.
    Ich schnüffelte lautstark, und meine Mom warf mir einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder an meinen Bruder wandte. »Robbie, kann ich mal kurz mit dir reden?«
    »Mom …«
    »Jetzt.« Ihre Stimme war scharf und ließ keinen Widerspruch zu. »Geh ins Haus.«
    »Ja, Ma’am.« Wütend stand er auf, ließ seinen Stock samt Marshmallow ins Feuer fallen und stampfte nach drinnen. Ich zuckte zusammen, als die Tür hinter ihm zuknallte.
    Meine Mom seufzte schwer, zog den Stock aus dem Feuer und stand auf. Ich sah sie nicht an, als sie mir den Marshmallow gab. Jetzt war alles raus, und ich konnte noch nicht einmal vorgeben, ich wäre dazu fähig, das zu tun, was ich wollte; das, was meinen Puls zum Rasen brachte und mir das Gefühl vermittelte, ich wäre lebendig.
    »Ich bin gleich zurück«, sagte sie und drückte meine Schulter. »Ich wollte dir das eigentlich zum Sonnenaufgang geben, aber ich will, dass du es jetzt aufmachst – bevor der Tag anbricht.«
    Ihre schlanken, aber starken Hände zogen eine Karte und ein kleines Geschenk aus ihren Taschen und legten beides auf meinen Schoß.
    »Fröhliche Sonnenwende, Liebes«, sagte sie. Eine einzelne Träne rann mir über die Wange, als sie Robbie ins Haus folgte. Todunglücklich wischte ich die kalte Spur weg. Es war nicht fair. Ich hatte es geschafft. Ich hatte einen Geist beschworen, wenn auch nicht Dad. Ich hatte geholfen, das Leben eines kleinen Mädchens zu retten. Warum stank dann meines zum Himmel?
    Ich ließ Robbies Marshmallow verbrennen, zog meine Handschuhe aus und schob einen kalten Finger unter die Klappe des Umschlages. Wieder weinte ich, als ich darin meine I.S.-Bewerbung fand, unterschrieben von meiner Mutter. Ich blinzelte heftig und stopfte sie zurück in den Umschlag. Ich hatte die Erlaubnis, aber das bedeutete nichts mehr.
    »Und was bist du?«, fragte ich jämmerlich das Kästchen. »Ein Paar Handschellen, die ich nie benutzen werde?« Das Paket hatte ungefähr die richtige Größe.
    Ich starrte für einen Moment zu den pinkfarbenen Wolken hoch und hielt den Atem an. Als ich ausatmete, schien der nebelartige Dampf vor meinem Mund meine Stimmung aufzunehmen, trüb und trostlos. Ich legte den Umschlag zur Seite und öffnete die Schachtel. Die Tränen flossen heftiger, als ich sah, was darin war: Eingepackt in schwarzes Seidenpapier lag dort die Uhr meines Dads.
    Elend schaute ich zum stillen Haus hinüber. Sie wusste, welchen Zauber ich gewirkt hatte. Sie wusste alles; warum sonst sollte sie mir die Uhr schenken?
    Ich umklammerte Dads Taschenuhr, starrte ins Feuer und vermisste ihn so sehr, dass mein Herz wehtat. Vielleicht wäre jetzt alles anders, wenn er aufgetaucht wäre. Ich war glücklich, dass er in Frieden ruhte und der Zauber bei ihm nicht funktioniert hatte, aber verdammt noch mal, in meiner Brust schien sich ein klaffendes Loch aufgetan zu haben.
    Plötzlich war mir warm, und überrascht zog ich die Nase hoch und registrierte ein leises Geräusch am Haus. Ein Paar Hände umklammerte den Zaun, und während ich mir das Gesicht abwischte, sprang ein kleiner Mann im langen Mantel darüber. Pierce.
    »Oh, hi«, sagte ich und wischte mir noch einmal über das Gesicht, in der Hoffnung dass er nicht merken würde, dass ich geweint hatte. »Ich dachte, du wärst weg.« Ich trocknete meine Hand an der Decke ab, dann faltete ich die Hände im Schoß, um gleichzeitig Dads Uhr und meinen Kummer zu verstecken.
    Pierce schaute zum Haus, als er sich mir näherte. Seine Stiefel hinterließen Spuren im Schnee. »Nachdem ich Eure Mutter im Haus der Brut gesehen hatte, war ich gesonnen, die Mutter der Porzellankiste walten zu lassen.«
    Ein leises Lächeln erschien fast gegen meinen Willen auf meinen Lippen. »Sie macht dir Angst?«
    »Wie eine Schlange einem Pferd«, erklärte er und schüttelte sich dramatisch.
    Wieder warf er einen Blick aufs Haus, dann setzte er sich auf Robbies Stuhl. Ich sagte nichts, bemerkte aber den Abstand, den er einhielt.
    »Ich konnte Euer Haus nicht finden«, sagte er, während er ins Feuer starrte, statt mich anzusehen. »Die Fahrer der öffentlichen Kutschen … ähm … der Busse sind nicht anfällig für Mitleid, und es hat mich eine Weile gekostet, dem gelben Buch auf den Grund zu gehen.«
    Ich schnüffelte, aber mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich gleich besser. »Gelbe Seiten.«
    Er

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