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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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mit dreißig noch nicht darüber im Klaren ist, ob sie wirklich wussten, was sie taten, i st man immer noch sechzehn. Nachdem ich meine Mom dabei beobachtet hatte, wie sie die I.S. einholte, als wäre sie ein Fisch am Haken, war ich davon überzeugt, dass sie alles wusste, was es zu wissen gab.
    Lächelnd zog ich die Wolldecke enger um mich und schob meinen Klappstuhl näher an das kleine Feuer heran, das Robbie im Garten entzündet hatte. Meine Mom saß neben mir – absichtlich zwischen meinem Bruder und mir –, während wir Marshmallows rösteten und auf den Sonnenaufgang warteten. Ich war noch nicht allzu lange draußen, und mein Atem dampfte in der beginnenden Morgendämmerung. Ich hatte meine normale Bettgehzeit um ein paar Stunden überschritten, aber das war nicht der Grund dafür, dass meine Arme zitterten und ich langsam atmete. Verdammt, ich war vielleicht müde.
    Ich hatte erwartet, im Krankenhaus oder im Notarztwagen aufzuwachen, und war überrascht, als ich immer noch am Tatort auf dem Rücksitz des Autos meiner Mom wieder zu mir kam. Eingewickelt in eine I.S.-Decke war ich losge stolpert, um nach Pierce zu suchen, und hatte mich in einem Medienzirkus wiedergefunden. Robbie und ich hatten voller Bewunderung vom Rand aus beobachtet, wie meine Mom mit einem System spielte, von dem wir nicht einmal gewusst hatten, dass es existierte. Durch ihre bösartigen Drohungen, die sie als das Geplapper einer verwirrten Mut ter tarnte, hatte sie es nicht nur geschafft, die Anklage gegen mich wegen Vandalismus an Privateigentum abzuwenden, sondern hatte die I.S. auch noch zu der Aussage gebracht, dass ich nichts damit zu tun gehabt hatte, dass die Türen explodiert waren und dass ich auf keinen Fall mit einer unbekannten Person aus ihrem Gewahrsam geflohen war. Die I.S.-Beamten waren verdammt erpicht darauf, meiner Mom all ihre Wünsche zu erfüllen, solange sie nur leiser sprach, nachdem in Hörweite drei Kamerateams lauerten.
    Anscheinend hatte der Vampir, bei dessen Verhaftung ich geholfen hatte, eine entsprechende Vorgeschichte, war aber bis jetzt dank seines Einflusses seit Jahren damit durchgekommen. Ich hasste es, mich an der Vertuschungsaktion zu beteiligen, aber ich wollte keine Vorstrafen. Solange meine Mutter, Robbie, ich und das Mädchen den Mund hielten – ihre Eltern wurden mit genug Geld ruhiggestellt, um Sarah die Universität und eine Therapie nach Wahl bezahlen zu können –, würde der Vampir wegen Entführung vor Gericht wandern und nicht wegen der schlimmeren Anklage wegen Missbrauchs.
    Es machte mir nicht so viel aus, wie ich gedacht hätte. Er wanderte trotzdem ins Gefängnis, und falls die Vampirgerechtigkeit so funktionierte wie beim Rest der Bevölkerung, würde er wahrscheinlich eines Nachts aufwachen und einen Holzlöffel in seiner Brust finden. Vampire mochten Pädophile kein bisschen mehr als andere Leute.
    Also wurde aus Robbies und meinem Besuch bei der I.S. ein anonymer Hinweis, sodass die I.S.-Beamten als die Hel den dastanden. Was auch immer. Wollte ich die Ehre, müsste ich auch die Anklagen hinnehmen. Aber Mom hatte mir auf jeden Fall Hausarrest verpasst. Gott, ich war fast neunzehn und hatte Hausarrest. Da lief doch was falsch.
    Von Pierce hatte ich seither nichts mehr gesehen. Außer meiner Mom erinnerte sich niemand an ihn.
    Ich seufzte, und vor meinem Mund bildete sich eine kleine Wolke, die das erste Morgenlicht einfing.
    »Rachel«, sagte meine Mom und zog die Decke um meinen Hals enger, »das ist das dritte Seufzen in genauso vielen Minuten. Ich bin mir sicher, er kommt zurück.«
    Ich verzog das Gesicht, als sie meine Gedanken erriet, dann musterte ich den Himmel und die Wolken, die bereits das erste Pink zeigten. Ich hatte gewusst, dass er bei Sonnenaufgang verschwinden würde, aber ich wünschte mir trotzdem, ich hätte mich verabschieden können. »Nein«, sagte ich und hielt meinen Marshmallow in die Flammen. »Wird er nicht. Aber es ist okay.«
    Meine Mom umarmte mich. »Ich hatte den Eindruck, dass du ihm wirklich etwas bedeutest. Wer war er?«, fragte sie, und ich verspannte mich ein wenig. »Ich wollte dich nicht vor der I. S. fragen, da er davongehuscht ist, als wollte er nicht, dass man ihn bemerkt.« Sie schnaubte und nahm mir den Stock mit dem inzwischen verbrannten Marshmallow ab. »Ich nehme ihm das nicht übel«, murmelte sie, während sie den brennenden Zuckerball ausblies. »Sie hätten wahrscheinlich versucht, ihm die gesamte Entführung

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