Blutseele
hatte, um mir eine Nachricht aus seinem Grab zu übermitteln. Mein Dad war stolz auf mich. Er war stolz auf mich und wusste, dass ich stark sein konnte . Das war alles, was ich je gewollt hatte, und ich atmete tief durch.
Ich würde wieder weinen. Auf der Suche nach Ablenkung entdeckte ich den Umschlag von meiner Mom. »Meine Mom hat meine Bewerbung unterschrieben«, sagte ich und packte entschlossen das Papier. »Ich werde es tun, Pierce. Mein Dad hat gesagt, ich solle an meine Fähigkeiten glauben, und ich werde es tun. Ich werde zur I.S. gehen.«
Aber als ich mich mit meiner unterschriebenen Bewerbung in der Hand wieder zu ihm umdrehte, war er verschwunden.
Mir stockte der Atem. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich nach Osten und entdeckte dort den schmalen Rand der Sonne zwischen den schwarzen Ästen. In der Stadt erklangen die Glocken, um den neuen Tag zu begrüßen. Die Sonne war aufgegangen. Pierce war weg.
»Pierce?«, fragte ich leise, während ich die Hand mit der Bewerbung langsam sinken ließ. Ich konnte es einfach nicht glauben und starrte auf seinen leeren Stuhl. Seine Fußabdrücke waren immer noch da, und ich konnte immer noch Kohlenstaub und Schuhpolitur riechen, aber ich war allein.
Ein Windstoß wirbelte das Feuer auf, und eine Hitzewelle hob meine Haare. Es war ein tröstliches Gefühl, als berührte er zum Abschied kurz meine Wange. Er war verschwunden, einfach so.
Ich schaute auf die Uhr meines Dads und hielt sie fest. Ich würde besser werden. Meine Ausdauer konnte besser werden. Meine Mom glaubte an mich. Mein Dad ebenso. Mit zitternden Fingern faltete ich seine Nachricht wieder zusammen, steckte sie zurück in die Uhr und schloss den Deckel. Dann drückte ich sie an meine Brust, bis das Metall sich erwärmte.
Ich atmete tief durch und schaute in die Reinheit des Morgens. Die Sonnenwende war vorbei, aber alles andere? Alles andere fing gerade erst an.
Blutmagie
Blutmagie
Zu dem Zeitpunkt, als ich die Hollows entwarf, gab es in Romanen nur sehr wenige starke weibliche Vampire. Als ich verstand, wie wichtig Ivy werden würde, beschloss ich, die soziale Struktur der Hollows-Vampire aus der weiblichen Sicht heraus zu entwickeln. Die Novelle Blutmagie war für mich die perfekte Gelegenheit, ein paar meiner Ideen auszuprobieren. Ich habe dadurch eine Menge gelernt, nicht nur über die Hollows-Vampire – sowohl die lebenden als auch die toten –, sondern auch über Ivy. In dieser Geschichte wird angedeutet, wie übel sie psychisch misshandelt wurde, und hier erkennt man auch am deutlichsten, warum sie bei Rachel bleibt, die sowohl ihre Krücke als auch ihre Rettung ist. Blutmagie erschien in Deutschland als eigener Band.
1
Ivy Tamwood schaufelte sich noch ein wenig Chili auf ihre Pommes und lehnte sich über das Wachspapier, damit nichts auf ihren Schreibtisch tropfte. Das Telefon hatte sie zwischen Schulter und Ohr geklemmt. Kisten ließ sich über irgendwas oder irgendwen aus. Sie hörte ihm nicht zu, weil sie genau wusste, dass er ihre halbe Mittagspause lang reden würde, bevor er endlich zum Ende kam. Es war wirklich schön, am Nachmittag neben dem Kerl aufzuwachen, und es war wunderbar, sich vor Sonnenaufgang mit ihm zu amüsieren, aber er redete einfach zu viel.
Was der Hauptgrund ist, ihn zu ertragen, sinnierte sie und ließ die Zunge über ihre Zähne gleiten, bevor sie schluckte. Ihre Welt war seit dem Flug von Kalifornien nach Hause zu schnell von lebhaft zu still übergegangen. Mein Gott, sind es schon sieben Jahre? Ein Kind aus einer hochkastigen Familie in eine wohlwollende Camarilla zu überführen und sie für die letzten zwei Jahre der Highschool aus ihrer Familie und ihrem Zuhause zu reißen, war ein ungewöhnlicher Schritt gewesen. Aber Piscary, der Meistervampir, zu dem ihre Fa milie aufsah, hatte ein zu intensives Interesse an ihr gezeigt, bevor sie die mentalen Werkzeuge entwickeln konnte, um damit umzugehen. Ihre Eltern hatten trotz hoher Kosten für sich selbst interveniert und damit wahrscheinlich ihre geistige Gesundheit gerettet. Meine Probleme allein würden Freud lebenslang mit Havannas versorgen, dachte Ivy und nahm sich noch einen Bissen Kohlenhydrate mit Proteinen. Mit dreiundzwanzig sollte sie eigentlich weit genug entfernt sein von der Sechzehnjährigen, die verängstigt auf dem Rollfeld gestanden hatte. Aber selbst jetzt noch, nach vielen ver schiedenen Blut- und Bettpartnern, einem sechsjährigen Studium der Sozialwissenschaften und mit einem
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