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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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unter einem Mondbaum liegst, stirbst du nach dreißig Tagen«, fügte sie hinzu und zitierte damit einen bekannten Porteraner Aberglauben. Die Mondblüten hingen bebend über Fancys Kopf wie dicke Säuretropfen, die nur darauf warteten, herunterzufallen und sie zu verätzen.
    »Die Leute sterben nach dreißig Tagen, weil diese Blüten giftig sind.«
    Ohne hinzusehen griff Cherry nach oben und pflückte eine der Knospen. »Genau wie Lügen.« Die Knospe erblühte in Cherrys Hand, wohlriechend und betörend. Und giftig. Cherry drückte Fancy die Blüte in die Hände.
    »Ich will mit dir über deinen Wunsch reden«, sagte Cherry. »Und ich will, dass du ehrlich bist.«
    »Ich will, dass Kit und ich und Madda zusammenbleiben. Ich will nicht, dass uns etwas auseinanderbringt.« Die Blüte schien die Worte aus ihr herauszuziehen. »Und ich muss immer denken, dass Kit und ich, wenn wir zusammenbleiben wollen, in der Lage sein müssen, Leute aus dem Weg zu schaffen, ohne erwischt zu werden. Leute wie den alten Mann.«
    »Ihr habt den Alten schon aus dem Weg geräumt. Und ihr werdet nicht erwischt.«
    »Aber es ist nicht nur er. Ich denke auch an die Zukunft. Kit und ich, wir sind, wer wir sind. Daran wird sich nichts ändern. Und dann ist da noch Franken.«
    »Du willst Franken aus dem Weg räumen?«, fragte Cherry missbilligend. »Du hast sein Leben gerettet – jetzt trägst du die Verantwortung für ihn.«
    »Ich habe mich auch verantwortlich gezeigt. Er lebt immer noch. Bis jetzt. Wir haben beschlossen, an ihm eine Lobotomie durchzuführen, aber das könnte ihn umbringen. Oder es klappt nicht so, wie wir wollen. Ich fände es besser, wenn wir etwas hätten, das sicherer wäre. Zum Beispiel eine Tür, um ihn durchzuschicken.«
    »Wenn du willst, dass sich eine Tür öffnet, brauchst du nur einen Schlüssel.«
    »Den hier?« Sie zeigte Cherry den silbernen Porteraner Schlüssel, den sie immer an ihrer Kette trug.
    »Das ist die falsche Sorte. Für das, was du brauchst, musst du in den Dunklen Park gehen.«
    »In den Dunklen Park?« Fancys Magen sank zu ihren Knöcheln, und sie fragte sich kurz, ob sich Ausweiden so anfühlte. »Keine Chance. Ich gehe nicht in den Dunklen Park .«
    »Wenn du Franken aus dem Weg schaffen willst, ohne ihn ›aus dem Weg zu schaffen‹, ist das die einzige Möglichkeit. Ich helfe dir, so gut ich kann, weil wir verwandt sind. Aber du musst es dir verdienen, wenn du es willst.«
    Fancy kamen die ganzen Geschichten in den Sinn, die sie über den Dunklen Park gehört hatte – Hunderte von Geschichten über Leute, die hineingegangen waren und nie wieder gesehen wurden.
    »Vielleicht wären Kit und ich auch einfach mit einer Reise in die Südsee zufrieden.«
    »Du willst in die Südsee. Nicht deine Schwester.«
    »Kit mag, was ich mag. Und wir machen gerne alles zusammen. Sie hat sich sogar gewünscht, dass wir für immer zusammen sind.«
    »Wirklich?« Cherry stand auf und ging durch den Raum zu genau so einem Kinetoskop wie in Fancys Keller. Sie wusste aber, dass es nicht ihr Kinetoskop war, weil dieses die Kurbel hatte, die an ihrem fehlte. Cherry winkte Fancy zu sich und warf das Kinetoskop an, aber statt etwas auf dem Bildschirm erscheinen zu lassen, projizierte es das Bild um sie herum, sodass Fancy das Gefühl hatte, mitten in einem Film zu stehen. Ein Film, in dem ihre Schwester die Hauptrolle spielte, deren flackerndes Sepia-Ebenbild an ihrem Schreibtisch auf der Schlafveranda saß und »wahre Liebe« in großen, roten Buchstaben auf ein Stück Papier schrieb. Sie malte sogar ein Herz um die Worte, bevor sie den Zettel in ihre pinkfarbene Flasche steckte.
    Als das Bild verschwand, war Fancy vor Schock ganz starr. Cherry ließ die Kurbel los und betrachtete sie nur.
    »Wahre Liebe? Sie hat einen Wunsch auf wahre Liebe verschwendet?«
    »Das wünscht sie sich.«
    »Tut sie nicht! Außerdem, wer soll sich denn in sie verlieben? Alle in der Stadt hassen uns.«
    »Das würden sie nicht, wenn du und Kit weniger egoistisch wärt. Gaben sind dazu da, dass man sie teilt.«
    »Welche Gaben?«
    Cherry betätigte wieder die Kurbel. Das Kinetoskop zeigte eine Projektion von Fancy und Kit, wie sie über die Blasen lachten, in denen sich Szenen von Madda zeigten, wie sie die gemeinen Frauen verprügelte. Die Projektion verschwand fast so schnell, wie sie gekommen war.
    »Das ist keine Gabe«, sagte Fancy. »Also … Ich vermute mal, die Sicht zu haben ist irgendwie schon eine Gabe, aber die meiste Zeit

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