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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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Fancy aus der Zeit getreten, als hätten sich alle Regeln geändert. Dieses Gefühl erschütterte sie jedoch nicht. Fancy hatte sich immer in ihren Träumen zu Hause gefühlt.
    »Fancy …«
    Die Menge teilte sich und glitt von Fancy weg, als stünde sie auf Rollen, bis sie schließlich alleine war. Ihr Trägerkleid flatterte in der warmen Brise. Sogar Kit war nicht mehr bei ihr. Ein glitzernder, pinkfarbener Pfad entstand vor Fancys Füßen, streckte sich mühsam durch die grüne Lichtung und verschwand im Wald.
    »Komm zu mir …«
    Fancy betrat den Pfad, der unter ihren Schnallenschuhen klapperte, und ließ alle anderen zurück. Ihr kam schwach der Gedanke, dass so vielleicht die Leute vom Erdboden verschwanden: Sie folgten dem Pfad, der zu ihnen kam, um zu sehen, wohin er führte. Es war nicht beängstigend, sondern aufregend. Gerufen zu werden. Ausgewählt zu sein.
    Fancy spürte den unvermeidlichen Sog, als die Traumwelt ihre Macht über sie ausübte. Sie trat ein in die dunkle Kühle der Wälder, die sich nicht wie Wälder anfühlten. Sie hätte überall und nirgends sein können, allein auf einem Weg, den sie nie zuvor betreten hatte, vielleicht am Rande des Universums, wo sogar die Sterne fremd waren.
    Je länger sie lief, desto dunkler und unbestimmter wurde alles, bis sie nur noch den glitzernden Pfad klar sehen konnte. Je weiter sie lief, desto aufgeregter und sicherer wurde sie, dass etwas Einzigartiges und Wunderbares auf sie wartete.
    In der Dunkelheit weitete sich der Pfad zu einem pinkfarbenen Kreis, der schimmerte, als sei er mit Sternenlicht gemischt. In der Mitte stand eine barfüßige Frau, die in ein silbernes, togaartiges Stück Stoff gehüllt war. Ihr Haar war ebenfalls in Silber gehüllt. Sie glänzte wie eine fleischgewordene Sternschnuppe. Wie aus einer anderen Welt … und doch vertraut. Fancy erkannte die Nase und diese Wangenknochen. Die Frau sah aus wie Madda, als sie noch jünger und weniger abgearbeitet gewesen war.
    Die Frau streckte ihre Arme aus. »Es ist lange her, seit jemand der Meinen mich zu Gesicht bekommen hat.«
    »Miz Cherry?« Fancy widerstand dem wahnsinnigen Drang, einen Knicks zu machen.
    Als Cherry sie an den Schultern packte und ihre Wange küsste, erschrak Fancy. Ihre Berührung war nicht menschlich, kalt und gläsern wie von einer Porzellanpuppe, aber nach einem ersten Zurückzucken ließ sich Fancy entspannt in die Umarmung ihrer Vorfahrin sinken.
    »Du hast mich gefunden«, sagte Cherry. »Ich habe mich schon gefragt, ob du die Kraft haben würdest, mich ausfindig zu machen.« Sie hatte einen seltsamen Akzent, den Fancy nicht zuordnen konnte. Die R und A klangen alle seltsam.
    »Ma’am«, begann Fancy zögerlich, denn es behagte ihr nicht, zu widersprechen. »Ich habe Sie nicht ausfindig gemacht. Sie haben mich gerufen.«
    »Und du bist gekommen. Du hättest nicht kommen müssen.« Cherry ließ sie los. »Niemand sonst ist gekommen.«
    Fancy scharrte mit ihrem Schuh auf dem Pfad. Die Unterhaltung fiel ihr schwer.
    »Bist du schüchtern?«
    »Ich rede nie.«
    »Das solltest du aber. Die Leute würden zuhören.« Sie strich mit der Rückseite ihrer Finger über Fancys Hals. Fancy spürte ein Kribbeln, als hätte Cherry ihre Finger in Menthol getaucht.
    »Was ist das für ein Ort?«
    Als Cherry lächelte, ähnelte sie Madda auf geradezu unheimliche Weise. »Was wünschst du dir, was es ist?«
    Fancy dachte nach, und innerhalb eines Wimpernschlags waren Cherry und sie im Keller.
    »Tut mir leid.« Fancy kaute an einem Finger, ihre Worte klangen vernuschelt und verschämt. »Ich weiß nicht, warum ich mir das ausgesucht hab.«
    »Nicht?« Cherry schien nicht empört darüber, sich im Versteck des Knochensägen-Killers wiederzufinden. »Hier fühlst du dich sicherer. Du bist glücklicher.«
    Ein Mondbaum spross mühelos zwischen Cherry und der Liege, schoss hinauf und breitete sich dann schnell aus wie ein Sonnenschirm. Anders als der Mondbaum in Cherry Glade war dieser hier lebendig. Er hatte dunkelviolette Blätter und feste weiße Knospen wie gespitzte Münder, die sich nur im Mondlicht öffnen würden. Fancy war erstaunt, dass so ein riesiger Baum in ihren kleinen Keller passte, aber irgendwie war es so.
    »Jetzt sind wir beide zu Hause«, sagte Cherry zufrieden und ließ sich anmutig auf den Boden gleiten. Sie klopfte auf die Stelle neben sich, und Fancy setzte sich zu ihr. Es faszinierte sie, wie Cherry schimmerte, sogar noch im Schatten des Baumes.
    »Wenn du

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