Blutsgeschwister
niemanden, außer meiner Familie.«
»Auch deinen Dad? Nach allem, was er getan hat?«
»Jeder macht schlimme Dinge. Was hat das mit Liebe zu tun?«
»Wer ist jetzt der Gutmensch?«
»Warum bist du hier in meinem Haus?«
»Um das Geld für den Verstärker zurückzubringen.« Er stand auf und griff in seine hintere Hosentasche. Sie erhaschte einen Blick auf seinen Bauch. Sein Nabel wölbte sich nach außen. »Der dämliche Tony hat ihn in einem Wutanfall zerstört. Ich hab Gabe ausgequetscht, woher er das Geld hatte.«
»Verstärker?« Sie starrte auf die säuberlich gefalteten Scheine, die er ihr hinhielt.
»Wie brauchten einen neuen Verstärker, damit wir für den Bandwettkampf üben konnten, und wir haben erst heute unser Geld bekommen, also danke.« Er drückte ihr das Geld in die Hand und setzte sich wieder hin. »Ich hätte es dir im Kurs gegeben, aber ich dachte, es ist leichter für dich, mit mir zu sprechen, wenn niemand dabei ist.«
Fancys Finger fühlten sich taub an, als sie das Geld nahm. Sie zählte es. Zweihundert Dollar. Exakt die Summe, die aus der Schatzkiste gefehlt hatte. Vielleicht behinderte ihr Kleid wirklich die Durchblutung – ihr wurde schwindelig.
»War echt cool von Kit, uns damit zu helfen. Ich hab ihr gesagt, sie sollte die Finanzen unserer Band übernehmen.«
»Du … triffst sie?«
»Gabe bringt sie meistens nach dem Kurs mit zu uns. Es ist immer komisch, sie ohne dich zu sehen. Sogar jetzt. Ihr beide seid ja normalerweise aneinander festgekettet. Ich hab Miz Lynne gesagt, dass diese Kurse helfen würden.«
» Du hast Madda gesagt, wir sollen die Kurse machen?«
»Ich hab ihr das jetzt nicht so gesagt, als wäre ich ihr Boss. Sie hat mich nach Kursen gefragt, und ich hab ihr von denen erzählt, die Gabe und ich machen. Ihr habt’s ja noch locker. Wir haben drei Kurse, und dazu müssen wir noch arbeiten. Die Band ist die einzige Sache, auf die ich mich freuen kann. Das und der Kunstunterricht.«
»Wo ist Kit jetzt?« Das Rauschen in ihren Ohren war so laut, dass sie sich selbst kaum sprechen hören konnte. »Bei euch zu Hause?«
»Wahrscheinlich. Geht’s dir gut?«
»Ich will zu euch.«
»Fancy.« Seine Stimme zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Er machte sich Sorgen um sie. »Stimmt was nicht?«
Er sollte sich um seinen Bruder sorgen.
»Lass uns gehen.«
Die Fahrt zu Ilans Haus in der Unterstadt war unangenehm. Ilan versuchte, sich mit ihr zu unterhalten, aber Fancy drehte das Radio auf, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie musste sich darauf konzentrieren, ihren Kopf mit Hoffnung zu füllen. Hoffnung, dass Kit sich nur deshalb für Gabriel interessierte, weil sie ihn töten und nicht dabei geschnappt werden wollte.
Die Turners wohnten zusammen mit ihrem Großvater von der St.-Michael-Kirche die Straße runter in einem schmalen, nach hinten raus lang gezogenen Haus. Als sie eintraten, machte Ilans Opa ein Nickerchen vor dem Fernseher auf der Couch. Er murmelte etwas von »Teufelsmusik«, als Ilan vorbeiging, aber sowohl Ilan als auch Fancy schenkten ihm keine Beachtung. Ilan führte sie durch mehrere Räume nach hinten, bis sie Kits Lachen hinter einer Tür hörte.
Als Ilan sie öffnete, sah Fancy Kit und Gabriel so ineinander versunken auf einer flauschigen braunen Decke liegen, dass sie Fancy und Ilan nicht bemerkten.
Kit lachte, als Gabriel schmatzende Geräusche auf ihrem Hals machte, und sagte ihm, dass sie gehen musste, sie schien aber nicht wirklich in großer Eile zu sein.
Fancy wandte sich von Kits Anblick ab. Im Spiegel an der Wand hinter ihr über einer Kommode sah sie den glücklichen Ort. Aber es beruhigte sie nicht.
»Noch zwanzig Küsse, und ich lass dich gehen.«
»Zwanzig? Wohin?«
»Damenwahl.«
»Deine Milz.«
Fancy sah hoffnungsvoll zu ihrer Schwester.
»Hä?«
»Deine Leber. Deine Schilddrüse. Ich denke die ganze Zeit daran, dich aufzuschneiden und innen zu küssen.«
»Du bist in mir. Genau hier.« Er berührte sein Herz.
»Ich liebe dich.« Sie küsste seinen Mund. Seine Wange. Sein Ohr.
Fancy stürmte in das Zimmer, legte ihren Arm um Kits Hals und zerrte sie unter Gabriel weg. Sie fühlte sich, als wäre sie nicht in ihrem eigenen Körper, sondern würde zusehen, wie sich ihr Arm enger um den Hals ihrer Schwester legte. Sie hatte Kit nur von Gabriel wegholen wollen, aber jetzt hatte sie Angst davor, sie loszulassen. Was, wenn Kit zu ihm zurückrannte?
Gabriel kletterte vom Bett. »Sei nicht sauer auf sie, Fancy. Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher