Blutsgeschwister
mehr als die anderen. »Verschwindet hier einfach. Verschwindet, bevor ich euch alle zu denen da runterwerfe!«
Alle verließen den Garten, außer einer Person.
Ilan, die Stirn blutig, wandelte traumartig langsam auf den Steinkreis zu, als würde er seinen Schritten nicht zutrauen, auf sicherem Boden aufzukommen. Seine Augen glitten über die Inschrift des Grabsteins.
»Es war der Spiegel«, sagte er. »Er hat uns hergebracht. So wie … Du hast eine Tür geöffnet.« Er versuchte, alles zu verdauen, aber es hatte ihn tief innen getroffen und tat ihm weh. Er sah Fancy an. »Du hast das getan. Du hast meinen Bruder getötet.«
»Dein Bruder ist nicht tot. Er und Kit sind da unten zusammengekuschelt und lachen mich aus.« Sie legte ihren Mund an den Stein. »Ich hoffe, die Maden fressen euch auf!«
»Du bist verrückt.«
Fancy streckte sich und glättete sich das Haar, in der Hoffnung, weniger verrückt auszusehen. »Kit, komm raus, damit Ilan aufhört zu glauben, ich hätte dich und seinen widerlichen Bruder umgebracht!«
Die Inschrift des Grabsteins veränderte sich.
SORRY, BRUDERHERZ.
WENN DU WILLST, KANNST DU DICH
HIER UNTEN BEI KIT UND MIR VERSTECKEN.
»Gabe?« Ilan legte die Hand auf seinen Kopf, vielleicht weil er den Drang verspürte, etwas von seiner eigenen Verrücktheit zu glätten. »Bist du das wirklich?«
MANCHMAL, WENN ICH SCHREIEND AUFWACHE,
SINGST DU »CARAVAN OF LOVE«,
BIS ICH WIEDER EINSCHLAFE.
»Wie machst du das?«, schrie Fancy den Grabstein, oder besser Gabriel an. »Wie kannst du Dinge verändern? Kit! Veränderst du den Grabstein?«
GABE BRAUCHT MICH NICHT, UM FÜR IHN ZU SPRECHEN.
IM GEGENSATZ ZU GEWISSEN LEUTEN.
»Gabe«, sagte Ilan und schob Fancy zur Seite, um näher an dem Stein zu sein. »Ich weiß, du und Fancy, ihr vertragt euch nicht. Aber das ist albern. Komm raus und lass uns das klären.«
ICH KOMM ERST RAUS, WENN DU
DIESE KUH VERDAMMT NOCH MAL BERUHIGT HAST.
» Ich muss mich nicht beruhigen . Das ist mein glücklicher Ort, und ich kann machen, was ich will, und mich nicht beruhigen gehört dazu!«
»Fancy, halt mal die Luft an, okay? Das macht mich wahnsinnig.« Ilan sah nicht mehr aus, als wollte er Fancy umbringen. Er sah nicht mehr aus, als wollte er noch irgendwas tun, außer sich hinlegen und eine Runde schlafen. »Wir müssen darüber reden.«
»Ich will nicht reden«, schrie Fancy Ilan an. »Du glaubst, du kannst mir sagen, was ich zu tun hab? Hier bist du niemand. Nur ein weiteres Opfer. Hörst du das, Gabriel? Hör auf, dich unter dem Rock meiner Schwester zu verstecken und stell dich mir, oder ich schicke dir deinen Bruder in Einzelteilen runter!«
DU GLAUBST, DU KANNST
MEINEM BRUDER WEHTUN?
HA HA HA.
Fancy rührte sich nicht – sie konnte sich nicht rühren, so wütend war sie –, aber ein paar Hunde kamen durch die Hecken in den Garten. Sie waren dünn und blass, sogar in dem blutigen Licht, in das alles getaucht war. Sie sprangen auf die Plattform, umzingelten Ilan so flink und unheimlich wie Geister und knurrten mit offenen Mäulern.
Ilan reagierte ganz erstaunlich auf die Hunde – ungeduldig statt ängstlich. »Schau«, sagte er zu Fancy. »Ich habe vor langer Zeit beschlossen, dass ich mich von niemandem rumschubsen lasse. Nie wieder. So einer bin ich nicht.«
»Wer bist du dann?«
Er betrachtete die sabbernden Hunde. »Der appetitlichste Junge der Welt, wie es aussieht.« Ilan hielt ihnen seine Arme entgegen, als wollte er sie umarmen. »Wollt ihr ein Stück? Na, kommt.« Die Hunde stürzten sich auf ihn und bissen zu. Er blieb still stehen, während sie ihn bissen. Er grinste angesichts so viel Hässlichkeit. Es war ein schreckliches Grinsen, das etwas noch sehr viel Hässlicheres verdeckte. Es flackerte in seinen Augen auf wie abgerissene Freileitungen, an die man nicht nah genug herankam, um sie zu reparieren.
Die Hunde bissen ihn, und er ließ sie. Er verzog das Gesicht, schlug sie aber nicht von sich. Fancy war seltsam eifersüchtig auf die Hunde, auf die Nähe, die Ilan ihnen gewährte.
Bis einer nach dem anderen aufhörte, ihn zu beißen. Sie wichen zurück. Erst wimmerten sie, dann trat Schaum aus ihren Mäulern, als Nächstes erbrachen sie sich, und schließlich starben sie.
»Sonst noch wer?« Ilan war übel zugerichtet und blutete. Und er grinste. Er ging an den toten Hunden vorbei und bot sich denen an, die noch übrig waren. »Ich könnte das die ganze Nacht machen. Gibt es Freiwillige?« Die restlichen Hunde sahen sich an
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