Blutsgeschwister
verloren, Fancy?« Kit stieß sie zur Seite und half Gabriel auf die Beine. »Halt dich von ihm fern. Halt dich von uns fern.«
Fancy versuchte wieder das Messer in die Hand zu bekommen, aber sie stolperte über Ilans bewusstlosen Körper. Als sie fiel, fing Kit sie auf, und diesmal schlug sie Fancy ins Gesicht.
»Schlag mich noch mal«, sagte Fancy. »Du kannst deinen Ärger auch genauso gut jetzt rauslassen, Gabriel ist nämlich tot . Ich werde ihn umbringen, und du kannst mich nicht davon abhalten.« Fancy wartete, aber Kit schlug sie nicht noch einmal.
»Ich will dir nicht wehtun.«
»Zu spät!«, schrie Fancy, und es war tatsächlich zu spät. Sie fühlte sich wie ein einziger Bluterguss vom Kopf bis zu den Zehen.
Ein Steinkreis voller Erde stieß aus dem Boden neben Kit und Gabriel empor und ließ sie das Gleichgewicht verlieren, sodass sie gegeneinanderfielen. Der Kreis war genau in der Mitte der Plattform, auf dem Präsentierteller. Und Fancy wusste genau, was sie dort präsentieren wollte. Sie war sicher, dass aus Gabriel ein besonders schöner Baum werden würde.
Fancy rannte vor und stieß Gabriel rückwärts in den Dreck. Sie lächelte, als die Erde ihn verschlang.
»Nein!« Kit tauchte in den Steinkreis, aber anstatt an der Erde abzuprallen wie beim letzten Mal, sank sie hinein und verschwand, genau wie Gabriel.
»Verdammt.« Doch trotz ihrer Verärgerung stieg in Fancy ein warmes Gefühl der Freude auf, weil Kit endlich akzeptiert hatte, dass der glückliche Ort genauso zu ihr gehörte wie zu Fancy.
Fancy hielt sich die Nase zu und sprang dann ihrer Schwester hinterher. Sie schwamm durch die feuchte, kuchenartige Erde, scheuchte die Würmer aus dem Weg und knallte auf einen dunklen Sarg. Sie riss den Deckel hoch, hielt sich mühsam Haare und Erde aus Augen und Mund, aber als sie Gabriel im Sarg liegen sah, wie er sie mit einem nervösen Grinsen ansah, verengte sich ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache – ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu würgen.
Fancy griff nach ihm, aber Kit stieß sie weg und knallte den Sarg zu. Beschützend schwebte sie darüber.
Fancy versuchte, Kit zur Seite zu stoßen, aber Kit gab nicht nach.
»Ich bin keiner von deinen Glücklicher-Ort-Untertanen, Maharani. Wie oft muss ich dir noch sagen, du sollst mich nicht rumkommandieren? Und jetzt verzieh dich.«
»Ich lass dich hier nicht allein mit diesem …«
»VERZIEH DICH!«
Fancy schoss aus dem Grab. Die Kraft von Kits Wut hob sie so hoch in die Luft, dass sie den Hals der Statuen hätte berühren können. So hoch, dass sie glaubte, wie ein rohes Ei zerspringen zu müssen, als sie endlich wieder auf der Erde landete. Aber das war ihr Ort. Als sie auf dem Boden aufkam, machte sich dieser so weich wie Daunen. Wie unfair, dass der Boden mehr für sie übrig hatte als Kit.
Als jemand über Fancys Knöchel stolperte, setzte sie sich auf. Die Plattform war voller weinender, schwarz gekleideter Trauergäste. Das hatte sie nicht angeordnet.
Fancy schob sich durch die Menge. Sie hatte ein schlechtes Gefühl im Bauch, als sie die Mitte der Plattform erreichte, die sie zur Errichtung von Gabriels Grab bestimmt hatte. Aber statt dass wie von ihr geplant ein Baum daraus hervorwuchs, ragte ein Grabstein aus der weichen Erde hervor. Die Inschrift lautete:
CHRISTIANNE CORDELLE
1997 – 2013
GABRIEL TURNER
1999 – 2013
VERSTORBEN IN DER BLÜTE IHRER JUGEND,
WEIL CHRISTIANNES SCHRECKLICHE SCHWESTER
NICHT WOLLTE, DASS SIE GLÜCKLICH SIND.
Die kopflosen Menschen betraten in einer langen traurigen Reihe den Garten. Einer nach dem anderen legte eine einzelne Blume auf Kits falsches Grab. Fancy sah verärgert zu. Wie konnten sie einfach bei Kits idiotischen Hirngespinsten mitspielen?
»Ich kann nicht glauben, dass sie tot ist.« Franken stand neben Fancy. Er hatte Tränen in den Augen, die Narben weißgeblutet vor Schock. »Ich war so sicher, dass ich vor ihr sterben würde. Ich dachte, sie würde das regeln.«
» Ihr seid alle ein Haufen Idioten.«
Die Trauergäste fingen an zu weinen. Lorne betrachtete sie nervös mit den goldenen Augen des Paten und klemmte seinen Kopf schnell in die Beuge des anderen Arms, damit sie nicht drankam.
»Wir sind hier nur zusammengekommen, um unseren Respekt zu zollen«, sagte er. »Aber wenn du das nicht möchtest …«
»Was interessiert mich das? Tanzt auf ihrem Grab, wenn ihr wollt. Von mir aus Breakdance.«
Sie starrten sie an, als hätte sie in der Kirche geflucht. Sie fühlte den Frevel
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