Blutskinder
»Stimmt, sie wirkt wie fünfzehn.« Dann flüstert sie mir zu: »Setz dich«, und mir fällt wieder ein, dass Norris schwerhörig ist. »Und lächle. Er bezahlt gutes Geld für uns.« Sie schiebt meinen ohnehin schon kurzen Rock noch weiter hoch.
»Sie sieht einfach fantastisch aus«, brummt Norris. Er setzt sich zwischen Maggie und mich aufs Bett und nimmt uns bei der Hand. »Welche ist zuerst dran?«, überlegt er laut, wobei er seinen Kopf von einer zur anderen dreht. Als sein Blick an mir hängenbleibt, fühle ich mich, als wäre ich wieder mit Onkel Gustaw allein.
Norris nimmt meine Hand und legt sie sich auf den Hosenschlitz. Es scheint nicht viel darunter zu sein; nicht so wie bei Onkel Gustaw. Aber ich weiß, was ich tun soll. Ich weiß, dass man so etwas einfach manchmal im Leben machen muss. Ich denke wieder an meine arme kranke Ruby und daran, was sie alles braucht, um gesund zu werden, und tue, was sich eben so ergibt. Ab und zu gibt mir Maggie flüsternd einen Tipp, bis Norris’ Körper unter meiner leichten Berührung erbebt.
»Du warst einsame Spitze, meine Süße.« Weil bis zu unserem nächsten Termin noch etwas Zeit ist, lädt Maggie mich zu einem großen Milchshake ein. »Er war ganz hingerissen von dir. Du wirst bald mehr verdienen, als Freda es sich träumen lässt.« Maggie blättert in dem Stoß Banknoten, die Norris ihr gegeben hat, und bezahlt unsere Milchshakes. »Erzähl Becco nichts davon«, sagt sie lachend. Obwohl ich kräftig an meinem Strohhalm sauge, kommt fast gar nichts, so dick ist der Shake. Aber ich muss unbedingt diesen Geschmack aus meinem Mund bekommen.
Zu unserem nächsten Termin, wieder in einem Hotel, können wir zu Fuß gehen. Diesmal ist es ein Geschäftsmann. Er sieht gut aus und ist reinlich und höflich. Und hinterher dürfen wir uns an seiner Minibar bedienen. Ich suche mir ein Täfelchen Schokolade und eine Miniflasche Gin aus. Er wollte sein Ding in mich reinstecken, aber Maggie untersagte es ihm freundlich und bot sich selbst stattdessen an. Er wollte zweihundert extra bezahlen, damit er es doch bei mir tun konnte, also erklärt Maggie ihm, dass ich vor kurzem ein Baby bekommen hätte und in den nächsten Wochen noch nicht voll einsatzfällig wäre. Als er sieht, wie Milch aus meiner Brust tropft, begnügt er sich damit, daran zu saugen, und sagt, er würde mich lieben. Ich wische ihm den Mund mit einem Kleenex ab.
Als Nächstes ist Maggies Politiker an der Reihe. Wir fahren zu seiner Londoner Wohnung, in der er sich wochentags aufhält. Ich kenne seinen Namen zwar nicht, aber er lässt mich trotzdem Diskretion schwören. Auch er will es mit mir machen, und Maggie muss wieder ablehnen. Hinterher sagt sie lachend zu mir, ich würde ihr richtig die Schau stehlen. Angesichts des dicken Banknotenbündels, das sich Maggie in die Manteltasche steckt, geht mir durch den Kopf, dass das hier doch etwas Besseres ist als Putzen oder Kellnern – die einzigen Jobs, die ich hätte finden können, wenn Freda und Becco nicht gewesen wären. Und außerdem habe ich in dieser Tätigkeit ja seit vielen Jahren Übung. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich genug verdienen werde, um Ruby gesund machen zu lassen und ihr den Kinderwagen zu kaufen, und überlege, was wäre, wenn wir ein paar Geldscheine für uns behalten würden.
Bei unserem letzten Termin sitzen wir in einer Hotelbar und unterhalten uns mit einem Ausländer, den Maggie auch noch nicht kennt. Er ist wie eine Frau angezogen, aber ich merke doch, dass es ein Mann ist. Er ist ungefähr fünfzig und trägt einen roten Rock und weiße Schuhe und hat einen so starken Akzent, dass ich mich ganz nahe zu ihm beugen muss, um ihn zu verstehen. Wir sitzen links und rechts von ihm auf einem quietschenden Ledersofa, und er bestellt große blaue Cocktails für Maggie und mich. Auf der Bühne singt eine schöne Dame, und ein Mann spielt dazu Klavier.
Der verkleidete Mann will, dass wir schmutzige Sachen sagen. Außerdem sollen wir unseren Körper beschreiben und davon erzählen, wie wir zur Toilette gehen. Als er mal nicht hinsieht, verzieht Maggie das Gesicht. Ich bin sicher, dass sie sich insgeheim genauso über ihn amüsiert wie ich, aber sie hat mir eingeimpft, dass wir die Wünsche unserer Kunden respektieren müssen, weil sie einen Batzen Geld dafür bezahlen. Trotzdem finden wir ihn komisch. Dann sagt er, ich sollte pinkeln gehen. Ich gehorche, und als ich gerade die Damentoilette verlassen will, kommt er herein. Ich
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