Blutskinder
stöpselte ihn ein. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Die Köpfe dicht nebeneinander, starrten sie auf den Bildschirm und warteten darauf, dass der Computer hochfuhr.
»Der Name, der auf dem Foto im Medaillon stand, ist ziemlich ungewöhnlich. Babka ist Polnisch und bedeutet Großmutter. Babka Wystrach war also irgendjemandes Oma.« Lächelnd bewegte Louisa ihren Finger über das Mousepad und klickte ein gespeichertes Lesezeichen an.
Jemandes Großmutter?, dachte Robert. Vielleicht Rubys oder Erins? Möglicherweise hatte Erin das Medaillon aber auch auf einem Flohmarkt gekauft und es Ruby geschenkt. Er sah Erin vor sich, wie sie einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen nachging – dem Stöbern in altem Schmuck und irgendwelchem Krimskrams –, und fühlte sich auf einmal sehr einsam.
» The Chronicle and Echo? « , fragte er, als die Internetadresse im Browserfenster auftauchte.
»Einen Moment noch«, sagte Louisa. Sie wartete, bis sich die Seite öffnete, und fuhr dann fort: »Hör dir das an: ›Der sechzig Jahre alte Gustaw Wystrach aus Northampton wurde wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch und sexuelle Belästigung einer Vierzehnjährigen verhaftet. Die Polizei nahm den Mann in den frühen Morgenstunden in seiner Wohnung fest, nachdem die Mutter des Mädchens Anzeige gegen ihn erstattet hatte. Wystrach, dessen Familie ursprünglich aus Polen stammt und der seit siebzehn Jahren den Knowle Hill Jugendclub leitet, wird morgen gegen Kaution aus der Haft entlassen, muss sich jedoch für weitere Ermittlungen zur Verfügung halten.‹«
Mit einem Seufzer richtete sich Robert auf. »Der Artikel ist von Juni 2001. Wie hast du den gefunden?«
»Ganz einfach. Ich habe nur den Namen Wystrach bei Google eingegeben.« Louisa stemmte die Hände in die Hüften und schnitt ihm eine Grimasse. Ein Sonnenstrahl fiel ihr auf Rücken und Schultern und ließ ihren Pferdeschwanz wie eine Flamme leuchten. »Es gab Hunderte von Ergebnissen, aber bei den meisten ging es nur um Ahnenforschung. Diese Geschichte hier stand ganz am Anfang der Liste. Es ist natürlich möglich, dass im Internet gar keine Informationen zu dem Medaillon zu finden sind – es ist schließlich schon alt, vermutlich hat nie jemand etwas darüber ins Netz gestellt.«
»Ich bezahle dich also dafür, dass du im Internet surfst.« Robert tigerte in der Küche auf und ab. »Wie auch immer, es geht uns doch auch um Ahnenforschung! Schließlich wollen wir etwas über Erins Familiengeschichte herausfinden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mann etwas mit ihr zu tun hat. Glaubst du trotzdem, dass es sich lohnt, die Spur weiterzuverfolgen?« Robert öffnete die Hintertür und schaute hinaus in den Garten. Das Gras war fast fünfzehn Zentimeter hoch und wogte im sanften Wind.
»Aber sicher. Ich bin doch nicht umsonst Detektivin.« Louisa trat hinter ihn. »Ich werde jetzt die Zeitungen nach dieser Geschichte durchstöbern und versuchen herauszubekommen, was aus dem alten Dreckskerl geworden ist. Bestimmt finde ich seine Adresse, und wir können ihm einen Besuch abstatten, wenn du willst. Die Frau auf dem Foto könnte durchaus eine Verwandte von ihm sein, immerhin ist der Name relativ selten.« Sie kam noch einen Schritt näher, bis Robert die Wärme ihres Körpers im Rücken spüren konnte. Ihr Atem streifte seinen Nacken. »Andererseits steckt vielleicht auch gar nichts dahinter, und Erin ist heute Abend wieder da, kuschelt sich an dich und bittet dich um Verzeihung.«
Robert drehte sich um. »Glaubst du wirklich?«, fragte er bedrückt. Er sehnte sich so sehr nach Erin und Ruby! »Ich danke dir«, sagte er aufrichtig und nahm Louisas Hand. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich täte.«
Lächelnd entzog sie ihm ihre Hand. »Während ich versuche, im Internet noch mehr über diesen Mann zu erfahren, könntest du dich zum Beispiel ein bisschen frisch machen, etwas essen, eine Partie Squash spielen oder sonst was tun. Es wird nicht lange dauern.« Sie ging zu ihrem Laptop. »Und Rob, sei nicht enttäuscht, wenn ich nichts herausfinde, ja?«
»Ich hoffe aber, dass es dir gelingt, das muss ich gestehen«, erwiderte er und ging duschen.
Nachdem Louisa Robert später zu seinem Wagen gebracht und ihm kommentarlos geholfen hatte, sein Handy wiederzufinden, machten sie sich auf den Weg nach Northampton. Gegen Mittag erreichten sie die unscheinbare Stadt. Zum Lunch besorgte Robert Kaffee, zwei Wurstbrötchen und eine Schachtel Zigaretten. Louisa wollte nichts
Weitere Kostenlose Bücher