Blutskinder
Pudding. Endlich bin ich fertig. Trotz Maggies aufmunternden Bemerkungen komme ich mir in meinen neuen Sachen ein bisschen albern vor.
Um acht Uhr gehen die ausländischen Mädchen durch eine Reihe verschlossener Türen in einen anderen Teil des Hauses. Nachdem ich einmal einen kurzen Blick in den Korridor hinter der Tür geworfen habe, bin ich froh, dass ich draußen arbeiten darf. Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich zu, wie Becco die Mädchen an die Arbeit scheucht, und frage mich, warum sie wohl hier sind. Vielleicht haben sie ja auch kranke Kinder.
Zum Abschied winke ich Freda zu. Dabei bemerke ich, wie sich Becco an die Wand hinter ihr drückt, bis er sich beinahe im Schatten auflöst. Seine Augen funkeln und sein Mund verzieht sich zu einem höhnischen Grinsen.
»Pass auf sie auf, Maggie!«, ruft Freda. »Denk dran, wie dir beim ersten Mal zumute war.«
»Als wäre es mein letztes Mal!«, ruft Maggie zurück und zieht die Haustür hinter sich zu. Jetzt geht es endlich los; ich bin schon sehr gespannt.
»Zuerst fahren wir zu einem schicken Hotel. Norris ist schon seit drei Jahren mein Stammkunde. Er ist wirklich süß und wird von dir ganz begeistert sein.« Maggie hält ein Taxi an und nennt einen Namen, den ich noch nie gehört habe. Ich mag Maggie. Sie ist sehr selbstsicher und weiß genau, was sie will. Sie sagt, mit zwanzig hat sie genug Geld gespart, um nach Kalifornien gehen und Schauspielerin werden zu können. Vielleicht begleiten Ruby und ich sie ja.
Eine Viertelstunde später sind wir am Hotel. Maggie bezahlt das Taxi und lässt sich eine Quittung geben. »Regel Nummer eins«, sagt sie. »Lass dir immer einen Beleg geben. Wenn Becco nämlich denkt, dass du ihn übers Ohr haust, wird er sauer und kürzt dir den Lohn.« Sie lockert mit den Händen ihr Haar ein bisschen auf, dann geht sie hocherhobenen Hauptes zum Portier und flüstert ihm etwas ins Ohr. Als der Portier uns in den Aufzug einsteigen lässt, schiebt Maggie ihm eine Zehnpfundnote zu. Ich frage mich, ob wir dafür nicht auch eine Quittung brauchen.
»Heute Zimmer 487, Mags«, sagt er, bevor die Türen zugehen. Gespannt folge ich Maggie über den Flur, der mit einem dicken Teppichboden ausgelegt ist. Auf einmal dreht sich Maggie zu mir um. Ihr hübsches Gesicht hat einen ganz ernsten Ausdruck.
»Er ist ziemlich alt und kann manchmal ein bisschen schwierig sein, aber halte dich nur an mich, dann wird nichts schiefgehen. Im Vergleich zu anderen ist es ein Klacks, ihn zufriedenzustellen.« Sie zwinkert mir zu.
Verwirrt runzle ich die Stirn. Sollen wir sein Zimmer putzen? Ihm das Essen servieren oder ein Diktat aufnehmen? Oder will er womöglich Sex? Plötzlich sehe ich Onkel Gustaw, wie er mit seinem schwabbeligen Körper den Korridor entlangwatschelt. Aber bevor ich noch genauer hinschauen kann, ist er schon um eine Ecke gebogen. Da bleibt Maggie vor einer Tür stehen und klopft einmal kräftig an.
»Er ist ein bisschen schwerhörig.« Sie muss noch einmal klopfen, dann geht die Tür auf. Norris ist ungefähr siebzig und die Haut in seinem Gesicht ist ganz fleckig, wie bei einem alten Hund am Bauch.
»Maggie, Maggie«, sagt er und tritt beiseite, um uns einzulassen. »Dein Anblick wird mich eines Tages noch umbringen.« Norris hat einen irischen Akzent. Sein Altmännergeruch nach Pfeifentabak und fettiger Kopfhaut erinnert mich an Onkel Gustaw. »Wer ist denn deine Freundin? Willst du uns nicht miteinander bekannt machen?« Norris streichelt mit seiner schrumpeligen Hand über Maggies Schultern. Sie zieht ihren Mantel aus und setzt sich aufs Bett. Ihre langen Beine sind auf Norris gerichtet. Ich bleibe an der Garderobe stehen und warte nervös darauf, dass sie mich vorstellt. Was soll ich bloß hier?
»Norris, das ist die hübsche junge Milly. Sie ist noch ganz neu bei uns und Freda dachte, dass dir eine kleine Vorschau gefallen könnte.« Maggie sieht mich grinsend an und mir krampft sich der Magen zusammen. Ich denke an Ruby.
»Also eine Premiere«, sagt Norris und kommt zu mir herübergeschlurft. Er berührt mein Haar. »Wie alt bist du?« Seine Stimme klingt nicht ganz so freundlich wie bei Maggie. Ich will schon fünfzehn sagen, überlege es mir aber anders. In dem Outfit wirke ich viel älter.
»Neunzehn, Sir.« Norris wirkt ein bisschen enttäuscht.
»Aber sie könnte auch bedeutend jünger sein, findest du nicht?«, fragt er an Maggie gewandt. Die kommt jetzt zu mir, nimmt meine Hand und führt mich zum Bett.
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