Blutskinder
und Tanya vielleicht bei der Aktenablage zur Hand gehen. Er würde ihr Geld geben, damit sie sich etwas Schönes kaufen konnte. Erin brauchte nichts davon zu wissen. Auf keinen Fall durfte Ruby wieder auf diese Gesamtschule gehen.
Den kam mit den neuen Getränken zurück. »Wie geht’s unserem Freund Jed Bowman?«, fragte er grinsend. Dabei überzog ein Netz feiner Fältchen sein gebräuntes Gesicht. Mit seinem modisch gestylten, leicht angegrauten schwarzen Haar und der Designerkleidung wirkte er wie ein Ladykiller. Und ein gefragter Lebemann war Den in der Tat. Einer, der nichts anbrennen ließ und immer für ein gutes Angebot zu haben war.
»Er gibt nicht auf«, erwiderte Robert. »Aber wechsle jetzt nicht das Thema.« Er hatte nicht die geringste Lust, über den Bowman-Fall zu sprechen. Sein Bedarf an gescheiterten Zukunftsplänen war für heute gedeckt.
Den musterte das Sandwichangebot auf der Speisekarte. »Hunger?«, fragte er.
»Kommt drauf an, ob wir uns noch einen genehmigen.« Allmählich fühlte sich Robert besser. Wenn er mit Den zusammen war, kam es ihm immer vor, als säße er in einer Höhle unter der Erde – geborgen, aber kurz vor dem Ersticken. Als Seniorpartner bei Mason & Knight hatte Den sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kanzlei alles unter Kontrolle.
Jetzt schaute er auf die Uhr. »Ehrlich gesagt, ich würde gern noch ein bisschen hierbleiben«, sagte er. »Tula hat ihre Mädchen da.«
Bei dem Gedanken zuckte Robert innerlich zusammen. Tula Mason und ihre »Mädchen« waren eine Gruppe Frauen über vierzig, die nach körperlicher Vollkommenheit strebten. Er hatte einmal den Fehler begangen, mit hineinzugehen, als er Erin zu einem von Tulas Frauentreffen brachte – obwohl Erin noch so jung war, dass ihr Aussehen keine Kunstgriffe nötig hatte. Noch bevor man die Drinks und Canapés servierte, wurde er schon mit Angeboten für Collagenbehandlungen und Botoxspritzen bestürmt. Mit einem Lächeln hatte er seine Frau ihrem Schicksal überlassen und sich davongemacht. Es war erstaunlich, wie jung Erin mit vierunddreißig noch aussah. Sie konnte glatt für Ende zwanzig durchgehen.
»Na, dann können wir ja einen draufmachen«, sagte Robert grinsend.
Während sie sich im Squashclub aufgehalten hatten, war eine Regenfront aufgezogen. Der Juni war bisher ungewöhnlich warm und trocken gewesen, doch nun zeigte sich der Himmel trüb und grau, und die ersten lauwarmen Tropfen fielen. Das Wetter passte zu Roberts Stimmung Er saß schweigend mit Den im Taxi und sah zu, wie der mittlerweile heftige Regen gegen die Scheiben schlug. Sie hatten im Club alle Themen abgehakt.
Robert stieg als Erster aus und ging leicht schwankend die regennassen Stufen zur Haustür hinauf. Ihm war schwindlig und ein wenig übel. Dafür, dass es erst früher Nachmittag war, hatte er zu viel Alkohol getrunken. Robert hatte seinen Wagen am Sportclub stehen lassen und dem Portier zwanzig Pfund und die Autoschlüssel in die Hand gedrückt, damit er ihm das Auto später nach Hause brachte. Das war einer der Vorteile, wenn man Mitglied in einem exklusiven Club war und Dennis Mason zum Geschäftspartner hatte.
Robert betrat die dämmrige Diele. Sein Haus war aus der viktorianischen Zeit, und der Eingangsbereich machte durchaus etwas her, doch die meisten anderen Zimmer waren schlicht und schmucklos. Bevor Erin und Ruby sechs Monate zuvor bei ihm eingezogen waren, hatte er sich nicht besonders für die Einrichtung seines Heims interessiert, doch allmählich wirkte es wohnlicher, wie das Zuhause einer Familie. Das hatte sich Robert immer gewünscht.
Unwillkürlich kam ihm Jenna in den Sinn. Er stellte sich vor, sie stünde mit rosigen Wangen oben auf der Treppe, ein weißes Handtuch um die Hüften geschlungen, und lächelte ihm zur Begrüßung zu. Wie damals, als sie noch am Leben war und sie miteinander ein glückliches Leben führten. Doch dann gab es Jenna nicht mehr, und er verbannte die schmerzliche Erinnerung an sie aus seinem Bewusstsein. Warum nur drängte sie sich jetzt immer wieder in sein neues Leben?
Er ließ die Sporttasche fallen und schüttelte sein nasses Haar, als wolle er dadurch das unwillkommene Bild vertreiben. Es war einfach zu dumm. Jenna hatte nie in diesem Haus gelebt, für die Erinnerung an sie war hier kein Platz.
Plötzlich vernahm er ein Geräusch – ein anhaltendes tiefes Brummen, wie das Stöhnen eines verletzten Tieres. Es schien von nirgendwoher zu kommen und erfüllte doch das ganze
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