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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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verurteilte. Es war, als hätten die beiden Frauen ihr Leben getauscht.
    Nicht dass man sie ins Gefängnis steckte, würde für Erin die schlimmste Strafe sein, sondern dass man ihr Ruby wegnahm. Robert konnte den Gedanken daran kaum ertragen.
    Was Ruby anging, nun ja, sie würde es mit der Zeit begreifen. Wenn die Wunden erst einmal verheilt waren und sie sich in ihrem neuen Leben eingerichtet hatte, würde sie sich eines Tages nach ihrem wahren Geburtsdatum erkundigen und danach, wie das Wetter bei ihrer Geburt gewesen war und was ihr Vater gesagt hatte, als er sie das erste Mal im Arm hielt. Doch Cheryl würde ihr nur in Bezug auf die ersten acht Wochen ihres Lebens antwo rten können. Dann war sie entführt worden. Und was danach kam. wusste nur Erin.
    »Hüpf raus, mein Sc hatz.«
    Wenn sie sie einsperren, kann ich sie trotzdem sehen. Ich könnte Besuchsrecht beantragen, dachte Robert. Er erwog flüchtig, Cheryl vor Gericht zu vertreten, doch das erinnerte ihn zu sehr an den Bowman-Fall. Nur dass Erin dann an Marys Stelle stünde. Und er selbst wäre nicht besser als Jed.
    »Wo sind wir?« Ruby kletterte aus dem Wagen und blickte Louisa mit gerunzelter Stirn an. »Ich will zu Mami.«
    Robert seufzte. Sie konnte nicht ahnen, welche Bedeutung ihre Worte hatten. »Ich möchte dich mit jemandem bekannt machen.« Robert nahm Ruby bei der Hand und ging mit ihr zur Tür von Nummer 18. Cheryls Haus. Das Haus, in dem Ruby früher einmal gewohnt hatte. Er schloss die Augen, holte tief Luft und klopfte an.
    Mit quietschenden Reifen raste ein alter Fort Escort vorbei. Die Fenster waren heruntergekurbelt, und laute Musik dröhnte über die Straße. Cheryl machte nicht auf. Erneut klopfte Robert und schaute auf seine Uhr. Er war fast halb neun, doch noch immer hell und warm.
    »Der ›Hirschkopf‹«, flüsterte er, als nach ein paar Minuten noch immer niemand an die Tür gekommen war.
    Das war zwar nur eine vage Möglichkeit, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Er hatte gar nicht in Betracht gezogen, dass Cheryl nicht zu Hause sein könnte.
    Er parkte vor dem Pub im absoluten Halteverbot, ließ Louisa und Ruby im Wagen warten und ging hinein.
    »Ist Cheryl Varney heute Abend hier?« Weil heute nur wenige Gäste an der Theke standen, wirkte die Kellnerin ruhiger. Sie wischte gerade die Theke mit einem Tuch ab.
    »Nee. Die kommt nur einmal im Monat her.« Die junge Frau griff unter die Theke und holte etwas hervor. »Aber sie hat die gestern Abend hier vergessen. Sehen Sie sie zufällig in der nächsten Zeit?« Die Kellnerin hielt eine braune Ledertasche hoch.
    Robert starrte darauf, als wäre es ein Stück von Cheryl selbst. »Ja, ich sehe sie sogar noch heute Abend.« Achselzuckend reichte die junge Frau Robert die Tasche über die Theke. »Na dann tschüss«, sagte er leichthin und ging hinaus, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
    An sein Auto gelehnt, öffnete Robert den Reißverschluss der Tasche und warf einen Blick auf das Leben, das Erin zerstört hatte. Solch eine Gelegenheit würde er wohl nie wieder bekommen, wenn Ruby erst einmal fort war.
    Robert nahm eine kleine Geldbörse heraus und klappte sie auf. Drinnen befand sich das Foto eines Babys. Es war dasselbe Bild, das nach der Entführung in den Zeitungen erschienen war. Er legte die Börse so wieder zurück, als würde er ein kleines Kind zur Nacht betten. Die Handtasche enthielt noch ein Scheckbuch, einen Führerschein, eine Bürste, in der ein paar lange schwarze Haare hingen, und zwei Lippenstifte. Unter einem Päckchen Taschentücher entdeckte Robert einen Schlüsselbund. Der Anhänger war ein kleiner Bilderrahmen mit einem anderen Babyfoto darin.
    Lächelnd steckte er sie ein – die Schlüssel zu Cheryl Varneys Haus. Sie würden einfach hineingehen und auf Cheryl warten.

32
    N
    och am selben Abend gingen wir zum Italiener. Ich versuchte, nicht allzu begeistert zuzustimmen, aber immerhin war der Vorschlag von ihm gekommen. Ich schloss den Laden eine halbe Stunde früher, damit ich mich in Ruhe zurechtmachen konnte. Ehrlich gesagt hatte ich noch nie eine richtige Verabredung gehabt. Ich war achtundzwanzig – auch wenn alle mich für zweiunddreißig hielten, wie es in dem gestohlenen Pass stand – und noch nie mit einem Mann ausgegangen, der sich vielleicht in mich verlieben würde. Ich musste aufpassen, dass ich nicht Geld verlangte, wenn der Abend zu Ende war.
    Ich bat die Frau, die unter mir wohnte, auf Ruby aufzupassen. Vom ersten Tag an war sie

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