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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Erinnerungen an seine erste Frau nicht schon schlimm genug, sah er auf einmal vor sich, wie zwei schluchzende Kinder aus den Armen ihrer Mutter gerissen wurden. Der Bowman-Fall.
    Im ersten Gang steuerte Robert den Wagen durch den dichten Verkehr und trommelte dabei mit den Fingern aufs Lenkrad. Ruby neben ihm wirkte vollkommen ruhig und gefasst.
    »Deine Mutter wird wütend sein«, sagte er. Doch als er den schelmischen Blick bemerkte, den Ruby ihm von der Seite zuwarf, und sah, wie ihre Augen vor Freude und Aufregung funkelten, wusste er, dass er das Richtige tat. Ruby nickte schweigend, und ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen.
    Ursprünglich hatte sie darauf bestanden, mit dem Bus zur Schule zu fahren, auch wenn das bedeutete, dass sie sich zwanzig Minuten lang von den anderen Kindern anpöbeln lassen musste, noch bevor der langweilige Schultag richtig losging und überforderte junge Lehrkräfte versuchten, mit renitenten Klassen zurechtzukommen. Doch nach vielem Hin und Her war Ruby einverstanden gewesen, dass Robert sie in seinem Wagen mitnahm. Allerdings nur unter der Bedingung, dass er sie außer Sichtweite der Schule absetzte. Wenn die anderen sahen, dass sie in einem nagelneuen Mercedes-Cabrio zur Schule gebracht wurde, hätte sie nur noch mehr Ärger bekommen.
    Als sich Robert vorstellte, dass sich Rubys Mitschüler wie knurrende Bestien auf sie stürzen würden, war sein Entschluss gefasst. Heimlich packte er Rubys neue Schuluniform in den Kofferraum, dazu ihre Sportsachen und noch ein paar andere Dinge, die sie in der neuen Schule vielleicht brauchen konnte.
    Robert machte eine Vollbremsung. »Himmel!«, rief er. »Das war knapp.«
    »Du brauchst keinen Unfall zu bauen, um mich von der Schule fernzuhalten. Mum sagt schließlich, wir dürfen nicht länger weglaufen.« Ruby zwinkerte ihm zu. Zum Glück hatte sie ihren Sinn für Humor nicht verloren.
    »Aber das ist doch nicht deine Meinung, oder?« Robert streichelte Rubys Hand. Er wollte, dass sie ihm vertraute und sich auf ihn verließ. Die Autoschlange setzte sich erneut in Bewegung. »Wenn deine Mutter uns auf die Schliche kommt, nehme ich die Schuld auf mich.«
    Ruby nickte und schluckte schwer. »Sie wird ausflippen. Ganz bestimmt. Wenn Mum nein sagt, dann heißt das auch nein. Egal, ob sie gute Gründe dafür hat oder nicht.«
    Genau das ist der springende Punkt, dachte Robert. Sie hat eben keinen guten Grund. Er hielt an einer Tankstelle. »Du ziehst dich hier besser schnell um. Schließlich willst du doch nicht schon am ersten Tag zu spät kommen.« Sie lächelten einander zu wie zwei Verschwörer – Vater und Tochter.
    Robert begleitete Ruby bis zur Tür der Damentoilette und trug dabei die Tasche mit der neuen Uniform. Während sie sich umzog, tankte er und kaufte eine von den Taschenlampen, die es gerade im Sonderangebot gab. Abfällig betrachtete er die traurigen überteuerten Chrysanthemensträuße, die in Eimern mit viel zu wenig Wasser vor sich hin welkten. In Erins Geschäft gab es nur schöne frische, geschmackvoll gebundene Schnittblumen und nicht solch ein tristes Zeug. Er strich leicht mit den Fingern über die schlappen, farblosen Blütenblätter. Kurz darauf kam Ruby bereits aus dem Toilettenraum. Sie war ein völlig neues Mädchen.
    »Komm mal her«, sagte Robert lachend, »du hast noch das Preisschild am Kragen.« Er zupfte das Schildchen von dem grau und grün gemusterten Pullover und bürstete ihr mit der Hand ein paar Flusen von der Schulter. »Verdammt schick«, sagte er und warf der Verkäuferin, die sie anglotzte und dabei mit offenem Mund Kaugummi kaute, einen unfreundlichen Blick zu.
    »Aber Dad«, kicherte Ruby, »du sollst doch nicht fluchen.«
    Jedes Mal, wenn Ruby ihn Dad nannte – was selten vorkam –, wurde ihm ganz warm ums Herz. Meistens sagte sie Robert zu ihm. Wenn ihm seine Frau doch auch ein wenig mehr vertrauen würde …
    Robert scheuchte Ruby ins Auto, und sie schoben sich durch den dichten Verkehr bis zum Greywood College. Als sie vor dem eindrucksvollen Gebäude hielten, sagte er: »Heute Abend habe ich eine tolle Überraschung für dich und deine Mutter. Etwas, worüber ihr euch bestimmt riesig freut.« Er würde sich schon etwas einfallen lassen.
    »Ach, Daaad « , antwortete Ruby gedehnt und grinste. Sie schlug die Wagentür zu und hüpfte die Treppe zu der prächtigen Eingangstür hinauf. Mit einem dicken Kloß im Hals blickte Robert ihr nach und fragte sich gleichzeitig, wie er seiner Frau

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