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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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beibringen sollte, dass er sich über ihren Willen hinweggesetzt hatte. Und dann musste er sich auch noch eine Überraschung ausdenken.

6
    E
    s ist seltsam, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich schwanger werden konnte. Ich könnte es tatsächlich nicht sagen. Natürlich weiß ich, wie man es normalerweise macht, wenn man ein Baby bekommen will, aber ich kann doch nicht einfach behaupten, dass ein Junge sein Ding in mich hineingesteckt hat. Mutter glaubt, dass es Jimmy war, der etwas beschränkte Junge, der am Ende unserer Straße wohnt. Vater hat alle Jungen an meiner Schule in Verdacht. Außerdem hat er einen wütenden Brief an die Zeitung geschrieben, in dem er jeden einzelnen jungen Burschen in der Nachbarschaft beschuldigt.
    Zum ersten Mal schwante mir etwas, als ich den Rock meiner Schuluniform nicht mehr zubekam. Mein Bauch war so aufgedunsen, dass ich Sorge hatte, ich würde langsam ein Dickerchen. Mutter schimpfte deswegen mit mir. Völlerei sei eine Sünde, sagte sie und brachte mich zu Dr. Brigson, damit er mir Diätpillen verschrieb. Doch ich kannte die Wahrheit schon. Schweigend ging ich neben ihr her und hoffte nur, dass der Arzt es nicht merken würde.
    Dr. Brigson sagte, ich solle mich auf die Untersuchungsliege legen. Vorher wechselte er wohlgemerkt nicht die Papierauflage, die vom letzten Patienten ganz zerknittert war. Er schob meinen Pullover hoch und drückte seine Fingerspitzen so fest in meinen Bauch, dass ich fast aufgeschrien hätte. Doch ich biss die Zähne zusammen und sagte nichts, weil er mir sonst wahrscheinlich eine geklebt hätte. Er stellte mir ein paar Fragen, die ich nicht beantwortete. Dann schickte er mich aus dem winzigen, übel riechenden Sprechzimmer und flüsterte meiner Mutter ins Ohr, dass ich ein Baby bekäme. Als wir wieder zu Hause waren, gab sie mir eine Ohrfeige. Mein Vater schaute mich einen Monat lang nicht an.
    Heute ist Heiligabend. Der ganze Schnee ist geschmolzen. Ein paar Kinder aus meiner Schule stehen auf dem Gehweg unter meinem Fenster. Ich kann ihre Gesichter erkennen, die im Licht der Straßenlampen ganz orange aussehen. Sie ziehen von Haus zu Haus und singen Weihnachtslieder und klappern mit ihrer Sammelbüchse. Sie haben sicher schon ein Kribbeln im Bauch, weil Heiligabend ist. In meinem Bauch rumort es auch, aber nicht wegen Weihnachten.
    Eigentlich müssten sie jetzt an unserer Tür singen, aber das werden sie nicht tun. Beim Haus der Wystrachs trauen sie sich das nicht. Stattdessen lungern sie unter meinem Fenster herum und hoffen, einen Blick auf mich werfen zu können. Auf die schwangere Minderjährige. Das Mädchen, das für den größten Skandal verantwortlich ist, den die Biggin-End-Schule seit zehn Jahren erlebt hat. Das Mädchen aus der zehnten Klasse, das herumgebumst hat.
    Ich ziehe die Gardinen zu, damit ich sie nicht mehr sehen und an ihr fröhliches Weihnachtsfest denken muss. Dann lege ich mich schlafen. Dabei vergeht wenigstens die Zeit.
    Manchmal träume ich davon, wie es passiert ist, und dann wache ich keuchend und schweißgebadet auf. Wenn ich etwas Leckeres nach oben schmuggeln konnte, Ovomaltine beispielsweise oder Puderzucker, dann hole ich es unter meinem Bett hervor, tauche den Finger in das süße Pulver und lecke ihn ab. Dabei denke ich an etwas Schönes, zum Beispiel an die Osterparade in der Schule – mit den Plakaten, die die unteren Klassen gemalt haben, und mit den lustigen Hüten, den Hühnern aus Papier und den schiefen Schokoladeneiern der Hauswirtschaftsklasse. Frühling lag in der Luft, und alle freuten sich über das neu erwachte Leben.
    Vielleicht ist es ja bei dieser Gelegenheit passiert. Ich war am Stand mit den lachenden Eiern. Auf einem Papptablett mit Stroh lagen frische Eier. Einige von ihnen hatten auf der Unterseite ein lachendes Gesicht aufgemalt. Wenn man ein Ei umdrehte und es hatte eins dieser Gesichter, bekam man als Preis einen Korb mit einem gestrickten Hühnchen und Süßigkeiten darin. »Sucht das lachende Ei!«, rief ich. »Nur einen Penny pro Suche!« Später, als die Lehrer aufräumten und alle Besucher gegangen waren, schlichen wir uns zu mehreren in den Heizungsraum – darunter auch Jimmy mit dem schiefen Gang und dem blöden Grinsen, der manchmal so sabberte. Wir wussten, wo der Hausmeister seinen Schnaps versteckt hatte.
    Oder es war während der Schuldisko. Mr Driver schaute mich immerzu an und fragte mich, ob ich schon einen Freund hätte. So ein hübsches Mädchen wollen doch bestimmt

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