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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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alle Jungs küssen, sagte er. Dann fragte er: »Hast du schon mal einen Jungen geküsst?« Dabei hing ein Spucketröpfchen in seinem Mundwinkel. Ich bekam so ein komisches Gefühl da unten, als hätte ich mich in einen heißen Kirschkuchen gesetzt. Aber ich kümmerte mich nicht weiter darum und ging weg. Er starrte mich dann den ganzen Abend an.
    Ich dachte an Toilettenbrillen, oder dass ich im Schwimmbad zu dicht an einem Jungen vorbeigeschwommen bin. Oder vielleicht hat mich Gott für eine unbefleckte Empfängnis auserwählt. Oder ich habe Noel von Außerirdischen bekommen, oder Chip, unser Labrador, ist mit seinem Ding irgendwie an meine Hose gekommen. Ich wünschte, bei einer von all diesen Gelegenheiten wäre es passiert, obwohl es jetzt eigentlich egal ist. Für mich ist es sowieso zu spät. Ich tue einfach weiterhin so, als wüsste ich es nicht.

7
    D
    reimal wählte Robert Louisas Nummer, und jedes Mal legte er schnell wieder auf, bevor jemand abnehmen konnte.
    … Lass uns in Verbindung bleiben, Rob. Wenn du irgendwann mal Hilfe brauchst …
    Noch immer klangen ihm die Worte in den Ohren, die sie vor fast einem Jahr zum Abschied gesagt hatte. Gestern in der Bar des Sportclubs hatte Den erwähnt, dass sie zur Hochzeit einer Cousine wieder nach England gekommen war. Robert musste an Louisas handfeste, aufrichtige Wesensart denken. Vielleicht konnte sie ihm ja helfen.
    »Hallo.« Es war noch dieselbe klare Stimme, dieselbe Louisa. »Hallo, wer ist da?«
    Robert legte auf. Hier in der Tiefgarage war der Empfang sowieso schlecht, und außerdem war sie vermutlich viel zu beschäftigt, um sich mit ihm zu treffen. Das Mobiltelefon fest in der Hand, als sei es seine einzige Verbindung zu einer vernunftbegabten Welt, fuhr er mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock, wo sich die Büros von Mason & Knight befanden. Mit ihrer nüchternen Art und ihrem gesunden Menschenverstand hatte Louisa ihm viel gegeben. Sie hatte ihn Liebe und Vertrauen gelehrt und ihm beigebracht, das Leben zu nehmen, wie es kam, und sich nicht vorab den Kopf über zukünftige Probleme zu zerbrechen. Und das alles auf eine sehr liebenswerte Art und Weise, dachte er und verstaute das Handy in der Innentasche seines Jacketts. So war Louisa eben.
    Robert schätzte, dass ihm noch eine Viertelstunde blieb, bevor Jed Bowman aufkreuzen würde – falls er sich überhaupt bequemte, aus dem Bett aufzustehen. Es war keine angenehme Aussicht, diesem einsachtzig großen Schlägertypen erklären zu müssen, dass bei der ersten Anhörung möglicherweise nicht alles nach seinen Wünschen gehen würde. Und heute hatte Robert schon gar keine Lust dazu. Die Anhörung war erst nächsten Woche, doch er wollte Jed rechtzeitig eintrichtern, dass er im Gerichtssaal weder fluchen noch rauchen durfte und dass er einen Anzug tragen musste. Es war wichtig, dass Jed kapierte, was für ihn auf dem Spiel stand. Schließlich wollte er nicht nur seiner angeblich drogenabhängigen Frau eins auswischen, sondern das Sorgerecht für seine Kinder erhalten.
    Robert musste laut lachen, als er sich Bowman im Anzug vorstellte. Er konnte es direkt vor sich sehen: die schmuddeligen, nikotinfleckigen Hände, die aus zu kurzen, ausgefransten Manschetten hervorsahen, und den altmodischen schmalen Schlips mit dem schief gebundenen lockeren Knoten. Aber er war diesem Faulenzer und Tunichtgut von Amts wegen als Anwalt beigestellt worden und hatte den Fall daher übernehmen müssen. In letzter Zeit fielen ihm in ihrer Zwei-Mann-Kanzlei immer die undankbaren Aufgaben zu.
    Robert konnte Jed Bowman schon riechen, bevor er ihn sah. Tanya, die Sekretärin von Mason & Knight, rümpfte ebenfalls die Nase und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Glastür zum Wartezimmer, hinter der eine große Gestalt auf und ab tigerte. Bei jedem Schritt verbreitete Jed den Mief von ungelüfteten Kleidern, Bier und Zigarettenrauch. Als er Roberts Stimme hörte, drehte er sich um und starrte ihn mit finsterem Blick an.
    »Wurde auch verdammt Zeit«, knurrte er und ließ seine Kippe in eine halbleere Teetasse fallen. »Sie sind hier nämlich nicht der Einzige, der zu tun hat.«
    Robert entschuldigte sich höflich, während er innerlich über das dumme Gemeckere seines Mandanten fluchte, und sagte dann: »Kommen Sie bitte mit in mein Büro.«
    »Ich hab nicht viel Zeit, wissen Sie. Muss zurück auf die Baustelle.« Jed hinterließ auf dem Teppich eine helle Schlammspur – vermutlich Zement – und verströmte aus allen

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