Blutskinder
Poren Aggressivität.
»Baustelle? Haben Sie denn einen Job?« Falls Jed eine feste Arbeit vorweisen und damit zeigen konnte, dass er bereit war, Ordnung in sein Leben zu bringen, würde das seiner Sache ungemein nutzen.
»Nicht direkt«, antwortete Jed rasch. Er kratzte sich mit seinen plumpen Fingern das stoppelige Kinn und machte ein Gesicht, als hätte er schon zu viel gesagt.
»Natürlich nicht.« Wie könntest du auch einen bezahlten Job haben, wo du doch die Sozialhilfe einstreichst, fügte Robert in Gedanken hinzu. Dieser Mann hatte nicht das geringste Interesse daran, die Verantwortung für seine Kinder zu übernehmen. Ihm ging es, seit er seine Frau mit seinem Bruder im Bett überrascht hatte, einzig und allein darum, ihr zu schaden. Robert hatte die schmutzige Geschichte schon mehrfach gehört, auch wenn sein wütender Mandant sie jedes Mal ein wenig anders ausschmückte. Jed Bowman war ein aufbrausender Mensch.
»Wann haben Sie Ihre Kinder das letzte Mal gesehen, Jed?« Robert stellte seine Aktentasche unter den lederbezogenen Schreibtisch und zog das Jackett aus. Als er das Handy in der Jackentasche fühlte, musste er für einen Augenblick erneut an Louisa denken. Es drängte ihn danach, Bowman rasch loszuwerden und sie noch einmal anzurufen.
»Ist schon ein paar Wochen her. Sie lässt mich nicht zu ihnen.« Jed zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche seines fleckigen Hemdes.
»Hier ist ein Nichtraucherbüro. Aber wir sind bald fertig. Könnten Sie so lange warten?«
Jed zog ein Gesicht. »Muss ich ja wohl. Ich will nur meine Kids aus dem Haus da holen. Sie hat jetzt einen Mann mit ’nem Tuntenauto und einem tollen Job.«
»Wissen Sie das genau?«
»Das haben mir meine Nachbarn erzählt. Meine ehemaligen Nachbarn«, verbesserte er sich.
Robert sah mit Erstaunen, wie eingefallen Jed Bowmans sonnenverbranntes Gesicht wirkte. An Hals und Wangen warf die stoppelige Haut Falten, was ihm das Aussehen einer alten, zahnlosen Bulldogge verlieh.
»Ich hab sie wirklich geliebt, Mann. Ganz ehrlich.«
Aus einem Impuls, den er sich selbst nicht erklären konnte, öffnete Robert ein Fach seines Schreibtisches und holte einen Aschenbecher aus Kristallglas heraus. Er hatte ihn nicht mehr benutzt, seit er sich nach seiner Hochzeit mit Erin das Rauchen abgewöhnt hatte. Auch während des turbulenten letzten Wochenendes hatte er kein Bedürfnis nach Nikotin verspürt, doch als er jetzt sah, wie Jeds Gesicht beim Anblick des Aschenbechers etwas von seiner alten Festigkeit zurückgewann, hätte er seinen Mandanten am liebsten um eine Zigarette gebeten.
Oder hatte es etwas mit Louisas klarer, heller Stimme zu tun?
Robert ging mit seinem Mandanten die Unterlagen durch, auch wenn er daran zweifelte, dass sich Jed wirklich bewusst war, was eine Niederlage für ihn bedeuten würde. Seine Zeugen waren wenig vertrauenswürdig, und alle bis auf einen hatten mit Alkohol und Drogen zu tun. Roberts Fähigkeiten als Anwalt waren aufs Äußerste gefordert, wenn er beweisen wollte, dass Mary Bowman als Mutter ihrer beiden Kinder ungeeignet war, wo doch der Vater mit solch zwielichtigen Gestalten verkehrte.
Bestenfalls würde man die Kinder in eine Pflegefamilie geben. Schlimmstenfalls jedoch … Robert musste sich eingestehen, dass ein Zusammenleben mit ihrem Vater wohl die schlechteste Lösung wäre, obgleich er Mary Bowman nicht kannte und ihre Qualitäten als Mutter daher nicht beurteilen konnte. Bisher hatte er nur durch Jed von ihr gehört, der kein gutes Haar an seiner Frau ließ.
»Also, Punkt neun Uhr. Und bitte rasiert und in einem ordentlichen Anzug.« Robert erhob sich, beugte sich in der blauen Wolke aus Zigarettenqualm über den Schreibtisch und wollte seinem Mandanten aus purer Gewohnheit die Hand reichen. Doch als er Jeds schmutzige Hände und Fingernägel sah, verzichtete er darauf.
»Ich werd mir einen borgen müssen.« Übel gelaunt angesichts dieses Aufwandes verließ Jed die Kanzlei.
Robert zwang sich, nicht gleich wieder zum Telefon zu greifen, und ging stattdessen mit Tanya einige Akten durch, bis sie ihn darauf aufmerksam machte, dass sie dieselben Fälle bereits in der Woche zuvor besprochen hatten.
Dann unterbrach Robert eine Telefonkonferenz in Dens Büro. Schließlich begab er sich in sein eigenes rauchgeschwängertes Zimmer und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Nachdem er sein Handy eingeschaltet hatte, wurde ihm eine Nachricht auf seiner Mailbox angezeigt. Er hörte sie
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