Blutskinder
ihr breites Lächeln und die hübschen grünen Augen hinter einer nüchternen, schwarz gefassten Brille. »Ich habe mir schon gedacht, dass du bereits hier bist«, sagte Robert und erwiderte ihr Lächeln. Er stellte sich mit dem ganzen Körper zwischen die Aufzugtüren, die mit leisem Klicken immer auf- und zugingen. »Die ist hübsch«, sagte er, wobei er jedoch keine Hand frei hatte, um zu zeigen, dass er Louisas neue Brille meinte.
»Dad, du machst noch den Aufzug kaputt!«
Für ein paar lange Sekunden schauten sie einander schweigend an. Robert wusste nicht, ob er den Fahrstuhl verlassen oder mit den Worten »Wir sehen uns dann später« nach oben fahren sollte. Louisa löste das Problem für ihn.
»Wir treffen uns mit ein paar anderen um sieben in der Bar. Kommt doch auch dazu«, sagte sie mit einem Blick, der Erin und Ruby in die Einladung mit einschloss.
»Also dann, bis nachher«, antwortete Robert und gab die Tür frei. Sie schloss sich zischend.
Die Hotelzimmer waren klein, doch ansprechend möbliert, in dem ländlichen Stil, den Erin so mochte.
Behutsam, um die Steppdecke nicht völlig in Unordnung zu bringen, streckte sie sich auf dem Bett aus.
»Ich lasse dir ein heißes Bad ein«, sagte Robert. »Und im Kühlschrank ist Wein.« Es war schon beinahe halb sieben. Bis Erin ein langes Bad genommen hatte und dann fertig angezogen war … Robert zog mit einem Plopp den Korken aus der Weinflasche. Er wollte unbedingt ein paar Minuten mit Louisa allein sein und sie um Rat fragen. Danach würde er voller Stolz seine Familie präsentieren.
»Sollen wir uns wirklich mit Louisa und ihren Bekannten treffen?«, fragte Erin. »Ich hatte mich eigentlich auf ein ruhiges Abendessen im Hotelrestaurant gefreut. Wir könnten Ruby etwas zu essen ins Zimmer bringen lassen – im Fernsehen gibt es bestimmt genug Programme, um sie für eine Weile zu beschäftigen.« Erin stand vom Bett auf.
»Es ist doch nur auf ein Glas. Wir können es ja kurz machen und bald zum Essen gehen. Aber ich denke, Ruby sollte nicht allein in ihrem Zimmer bleiben.« Robert reichte Erin ein Glas Wein und schob sie mit sanftem Nachdruck ins Badezimmer.
Während der ersten zehn Minuten stand Robert an der Bar, seinen Whisky noch unberührt in der Hand, und schaute müßig zu der Band hinüber, die neben der Tanzfläche ihre Instrumente auspackte. Dabei warf er hin und wieder einen Blick auf das halbe Dutzend Männer, die sich um Louisa geschart hatten, und überlegte, wer von ihnen wohl Willem sein mochte, ihr Ehemann. Robert hielt sich in der Nähe der Gruppe auf, aber dennoch weit genug entfernt, um nicht zu Louisas Hofstaat gezählt zu werden.
»Rob!« Das war keineswegs ein Hilferuf – Louisa war nicht die Frau, die man vor dem Ansturm ihrer Verehrer retten musste.
»Hallo«, antwortete er gelassen, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Mit gespielt verzweifeltem Augenaufschlag löste sich Louisa aus der Gruppe der Bewunderer. Ihr Mann war offenbar nicht darunter. Robert fragte sich, wer von den Männern wohl zu gegebener Zeit die ersten Annäherungsversuche gemacht hätte.
»Das Wasser steht dir bis zum Hals, was?«, sagte Robert.
»Nun, zum Glück kann ich schwimmen! Und wenn ihre Frauen herunterkommen, verziehen sie sich sowieso.« Als Louisa lächelte, bemerkte Robert die feinen Fältchen in ihren Augenwinkeln, die hinter den Brillengläsern noch deutlicher sichtbar waren.
Sie hielt Robert ihr leeres Glas hin. »Ich habe Durst«, klagte sie, »und ich hasse Hochzeiten.«
Robert hätte ihr am liebsten seinen eigenen Drink angeboten, um mit der Bestellung nicht noch mehr kostbare Zeit zu vergeuden.
»Aber du hast doch selbst gerade erst geheiratet«, sagte er, während er versuchte, die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich zu lenken.
Sie lachte. »Ich hasse Hochzeiten trotzdem.«
Als Robert schließlich Louisas Drink in Empfang genommen und bezahlt hatte, saß sie bereits an einem der kleinen Hochglanztischchen auf einem ebenso glänzenden Ledersofa. Er ließ sich neben ihr in den quietschenden Ledersessel sinken. Louisa spielte mit einer Haarsträhne, die ihr über die Wange fiel, und seufzte.
»Eine Hochzeit hat mehr mit Besitzergreifung als mit Liebe zu tun. Finde ich wenigstens«, sagte sie.
»Probleme?« Robert war versucht, ihr über die Schulter zu streicheln. Ihr bedauernder Tonfall machte ihn traurig. Er musste daran denken, wie sie beide am Telefon mit ihren glücklichen Ehen geprahlt hatten. Als sie zustimmend
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