Blutskinder
das hier musst du dich kümmern, Erin. Du weißt ja, sie brauchen eine Kopie von Rubys Geburtsurkunde und von ihrem Impfausweis. Ich erledige das mit dem dicken Scheck.« Robert lächelte, nach wie vor nur allzu bereit, alle Kosten für Rubys Schulausbildung zu tragen.
»Ich dachte, du hättest das Schulgeld schon bezahlt.«
»Hab ich auch. Das hier ist für die Klassenfahrt nach Wien, im August. Das Ganze wurde schon vor ein paar Monaten organisiert, aber weil Ruby neu ist, müssen wir jetzt gleich alle Formulare ausfüllen, damit sie mitfahren kann.« Robert war klar, dass Ruby bei allen Schulaktivitäten mitmachen musste, wenn sie dort ein Bein auf den Boden bekommen wollte.
» Wien? « Erins Stimme klang ganz dünn. Sie kniff ungläubig die Augen zusammen.
Ruby hüpfte vor Aufregung von einem Bein aufs andere. »Wir bekommen Unterricht am Wiener Konservatorium, und ich darf im Opernhaus Klavier spielen! Dann schauen wir uns noch alle möglichen Sachen an, und eine Disko gibt es auch und …«
»Wien – das ist doch in Österreich.« Erins leise Worte unterbrachen den begeisterten Redeschwall ihrer Tochter.
»Ich fliege mit dem Flugzeug, Mum. Endlich mal!«
Erin saß steif und bewegungslos da, nur ihr leicht zitterndes Kinn verriet ihre innere Anspannung.
»Es ist eine tolle Gelegenheit für Ruby. Übrigens, wir könnten in der Zeit auch für ein paar Tage wegfahren!« Robert legte Erin die Hand aufs Bein, doch sie zuckte zurück. »Mein Gott, ich dachte, du würdest dich freuen!«
Er stand auf und stellte die Teller zusammen. Er vermochte sich Erins Verhalten in den letzten Tagen einfach nicht zu erklären. Die Aussicht, dass ihre Tochter in eine Stadt mit einem derart regen kulturellen Leben wie Wien reisen würde, hätte Erin normalerweise in helle Begeisterung versetzt. Schließlich hatten Rubys Bedürfnisse für sie Vorrang vor allem anderen. Das war ein Zug, den Robert an seiner Frau besonders bewunderte.
Mit viel Geklapper stellte er das Geschirr in die Spülmaschine.
»Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht für sie freue …«, begann Erin, doch dann versagte ihr die Stimme, und sie blickte Robert mit schmerzerfüllten Augen an. »Es ist nur …« Sie senkte den Kopf. »Sie kann eben nicht mitfahren.«
»Ach, Unfug«, erwiderte Robert. Er wollte sich diese Mätzchen nicht länger bieten lassen. Ruby würde mit nach Wien fliegen, und wenn er sie selbst dorthin begleiten musste. »Ruby ist alt genug, um ein Wörtchen mitzureden. Das Mädchen ist ja schließlich nicht dein Eigentum.« Er registrierte das Zucken um Erins Mund, ihren plötzlich ausdruckslosen Blick, und sprach dennoch weiter. »Vergiss nicht, auch die anderen Formulare auszufüllen und Rubys Papiere rauszusuchen. Das ist wichtig.«
Robert trocknete sich die Hände ab. Er hatte sich schon wieder ein wenig beruhigt. Wenn Erin Bedenken wegen der Reise nach Wien hatte, würde er Verständnis zeigen und dann versuchen, sie zu ihrer Einwilligung zu überreden. Das Wochenende in Somerset war dafür bestimmt der richtige Zeitpunkt. Jetzt brauchte er ihr bloß noch beizubringen, dass auch Louisa da sein würde.
8
D
ie M3 war frei und auch auf der A303 Richtung Martock herrschte wenig Verkehr. Robert, der es nicht ausstehen konnte, im Stau zu stehen, war hervorragender Laune, trotz der merkwürdigen Neuigkeiten, die er am Morgen von Tanya erfahren hatte. Mit undurchdringlicher Miene saß Erin neben ihm. Ihr Haar flatterte im Wind. Robert hatte vorgeschlagen, das Verdeck hochzuklappen, doch Erin und Ruby fanden es schön, sich vom Wind durchpusten zu lassen. Sobald London hinter ihnen lag, schienen alle drei gleich besserer Stimmung zu sein.
»Bevor du fragst, Ruby: noch ungefähr eine Dreiviertelstunde.« Robert grinste in den Rückspiegel. Bis zum frühen Nachmittag hatte er seine dringendsten Arbeiten erledigt, sodass er Ruby rechtzeitig von der Schule abholen konnte. Sie hatte ihre erste Woche in der neuen Schule hinter sich. Dann waren sie zusammen zu »Floristik taufrisch«, Erins Blumenladen, gefahren. Robert hatte seiner Frau bereits mehrmals versichert, dass Tanya durchaus in der Lage sei, am Samstag im Geschäft die Stellung zu halten.
»Bist du wirklich sicher, dass Tanya vertrauenswürdig ist?«, fragte Erin erneut, als sie von der Schnellstraße auf eine Landstraße abbogen. Sie strich sich das Haar glatt und band sich ein kirschrotes Tuch um den Kopf. Offenbar wollte sie bei ihrer Ankunft nicht allzu zerzaust
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