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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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schneidender Stimme. »Der Name meines Mannes ist Willem van Holten. Und richtig, wir haben uns auf einer Weihnachtsfeier kennengelernt und acht Wochen später geheiratet. Und ebenso richtig, zwei Monate später war Jenna tot …« Louisa holte tief Luft. »Es ist eine Tatsache, dass wir beide niemals zusammenkommen werden, weil immer einer von uns verheiratet ist.« Sie sprintete plötzlich los wie ein nervöses Rennpferd, wohl wissend, dass Robert keinen Versuch unternehmen würde, ihr zu folgen.
    Er starrte noch weitere zwanzig Minuten über das Gatter hinweg in die Ferne, bevor er sich auf den Rückweg nach Martock machte. Wir werden nie zusammenkommen, dachte er und fragte sich, was Louisa, die es normalerweise an heiterer Gelassenheit mit einem buddhistischen Mönch aufnehmen konnte, so aus der Fassung gebracht hatte.

    Erin und Ruby befanden sich im Speisesaal. Ruby bediente sich gerade am reichhaltigen Frühstücksbüfett, wahrend Erin gedankenverloren an ihrem schwarzen Kaffee nippte. Selbst als Ruby Robert freudig begrüßte, hob Erin den Blick nicht von der gestärkten weißen Tischdecke.
    »Hallo.« Robert gab seiner Frau einen Kuss auf den Kopf. Er hatte rasch geduscht und Jeans sowie ein grün gestreiftes Hemd angezogen. Sein dunkles Haar war noch feucht und glänzte im gedämpften Lampenlicht. »Isst du nichts?«, fragte er. Er hatte für den Tag einen Ausflug nach Sherborne Castle geplant, da er nicht die geringste Lust verspürte, die Hochzeitsfeier von Louisas Cousine mitzuerleben. Zwar war Louisa nicht die Braut, doch er fürchtete, es nicht einmal ertragen zu können, sie als Erste Brautjungfer zu sehen. Er nahm zwischen Mutter und Tochter Platz.
    »Hat das Laufen Spaß gemacht?« Erins Stimme klang so bitter wie ihr schwarzer Kaffee.
    »Ja, danke.« Robert entfaltete seine Serviette, während die Kellnerin die Bestellung aufnahm.
    »Du bist mit Louisa gelaufen.«
    »Dad, können wir zu dem Schloss fahren, von dem du uns erzählt hast?« Als Ruby ihr Würstchen durchschnitt, rutschte ein Stück über den Tellerrand auf den Tisch.
    »Du hättest wenigstens fragen können, ob ich mitkommen will.« Erin legte verneinend die Hand auf ihre Tasse, als die Kellnerin ihr noch einen Kaffee anbot.
    »Ich wusste nicht, dass du gerne joggst.«
    »Magst du es denn etwa?« Erin stand auf und begab sich mit energischen Schritten zum Ausgang des Speisesaals.
    »Sicher können wir zu dem Schloss fahren, Ruby«, sagte Robert und rührte in seiner Tasse. Im gleichen Augenblick bemerkte er, wie Louisa und Erin in der Tür aneinander vorbeiliefen. Sie taten, als würden sie sich nicht kennen.

9
    A
    ls ich wach werde, bin ich ganz nass. Das Laken, meine Beine, mein flauschiger Schlafanzug – alles ist durchweicht von etwas, das nach warmem, feuchtem Tier riecht. Mutter wird wütend sein, wenn sie sieht, was ich angerichtet habe. Ich habe doch schon seit Jahren nicht mehr ins Bett gemacht. Als ich die Nachttischlampe einschalte, sehe ich, dass es nicht nur Pipi ist. Es ist auch Blut dabei. Ich stehe auf, um meinen Morgenmantel zu holen, und pinkele dabei immer weiter. Bei jedem Schritt läuft mir warme Flüssigkeit die Beine hinunter. Ich kann sie einfach nicht einhalten.
    Ich jammere leise, als ich daran denke, dass ich für diese Bescherung eine ordentliche Tracht Prügel bekommen werde. Ich schiebe die Schlafanzughose hinunter, die ganz durchnässt und voller Blutflecke ist. Ich ziehe sie ganz aus und verstecke sie unter dem Bett. Dann hole ich meinen Eimer und hocke mich darauf. Wenn das so weitergeht, wird er in ein paar Minuten voll sein. Sie haben ihn gestern nicht geleert, und ich überlege, ob ich es aus dem Fenster kippen soll.
    Ich schaue auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten bis Mitternacht. Das neue Jahr hat schon fast angefangen. Mutter hat gesagt, dass sie heute Nacht auf einer Party bei Onkel Gustaw und Tante Anna sind. Sie werden leckere pierogi, cwibak und piernik -Honigkuchen essen und den Kindern erlauben, am süßen miod pitny zu nippen. Er wird immer in den kleinen Keramikschälchen serviert, die wie Fische aussehen und nach Tante Annas muffigem Schrank riechen. Wie im letzten Jahr wird Onkel Gustaw um Mitternacht das Waldhorn blasen. Das hat er, seit ich denken kann, an jedem Silvester getan.
    Mutter blickte mir scharf in die Augen, als sie mir von der Feier erzählte. Sie hielt den Atem an, gespannt, ob ich sagen würde, dass ich mitkommen will. Ich musste daran denken, wie sie alle beisammensitzen

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