Blutskinder
Faustino.
Flink wie ein Wiesel huschte Tula in dem Raum hin und her, in dem alles überlebensgroß war, wie es Robert schien. Sogar der Kühlschrank hatte die Ausmaße eines doppeltürigen Kleiderschranks. Tula trug eine enge schwarze Hose und dazu ein Spitzentop, dass sich über ihren neuen, verschönerten Brüsten spannte. Ein Haufen Goldschmuck betonte ihren Hals, der für eine Frau ihres Alters auffällig faltenlos war. Sie hatte sich eine blauweiß gestreifte Küchenschürze umgebunden, die der kleinen Person bis unter die Knie reichte.
»Armer Schatz«, gurrte sie, als Den und Robert eintrafen. Robert, der zunächst dachte, sie meinte ihren Mann, fand sich unversehens in ihren Armen wieder. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um ihm einen Kuss zu geben. »Den hat mir erzählt, dass du wieder Eheprobleme hast. Und dabei seid ihr doch erst so kurz verheiratet.« Tula begab sich an ihren riesigen Herd, um die Sauce umzurühren. »Mach doch einfach dasselbe wie Denny, wenn wir uns mal kabbeln. Schick sie auf eine Schönheitsfarm, das wird ihr guttun. Wahrscheinlich hat sie Stress und braucht mal eine richtig schöne Wellnessbehandlung.« Tula tunkte den Finger in die Sauce und schmeckte ab. »Ich kann dir eine gute Adresse nennen.«
Robert lächelte über Tulas Ungezwungenheit und das oberflächliche Geplapper, das ihm so vertraut war. Alles an dieser Frau war umgemodelt, geliftet, verschönert, implantiert oder abgesaugt. Wenn sie sich nicht gerade in einer Klinik in der Harley Street aufhielt und ihren Lieblingschirurgen bekniete, ihr doch noch ein winziges bisschen von der Nase wegzunehmen oder ihre Haut noch eine Idee mehr zu straffen, war sie in dem Privatclub, wo Den und er Squash spielten, und ließ sich massieren, in feuchte Tücher einwickeln oder die Haut reinigen. Oder sie aß mit Freunden zu Mittag und plante dabei ihre nächste Fernreise. Kinder waren für dieses Paar nie in Frage gekommen, selbst wenn Den sich welche gewünscht hätte. Sie hätten Tula nur die Figur verdorben.
Robert liebte Tula heiß und innig. Sie war das genaue Gegenteil von dem, was er an einer Frau mochte, und sie kamen fabelhaft miteinander aus.
»Komm her«, sagte er und stellte sein Weinglas auf die Arbeitsplatte aus Marmor. »Ich bin wirklich ein ungehobelter Klotz.« Er ging zu Tula, fasste sie um die Schultern, hob sie ein wenig vom Boden hoch und gab ihr einen Kuss auf das blonde spraygestärkte Haar. »Tut mir leid, aber im Moment bin ich ein richtiger alter Griesgram. Lieb von dir, mich einzuladen. Das Essen duftet …« Er nahm Tula den Holzlöffel aus der Hand und kostete die mit roten Johannisbeeren und Rosmarin gewürzte Sauce. »Es duftet und schmeckt einfach göttlich. Genau das, was ich jetzt brauche.«
»Weidelamm.« Sie lächelte ihn an. »Was Besseres gibt’s nicht.«
Den ging mit Robert in die Bibliothek. Ihre Schritte hallten auf dem Travertinboden der Empfangshalle, die sie durchqueren mussten, um zu dem eichengetäfelten Raum, Dens ureigenster Domäne, zu gelangen. »Willkommen in der botoxfreien Zone«, hatte Den gesagt, als er Robert zum ersten Mal durch sein neues Haus im pseudo-georgianischen Stil führte.
»Hier ist für Tula und ihre Busenfreundinnen der Zutritt verboten.«
Das Zimmer war mit allem Notwendigen ausgestattet – hinter einem Ölgemälde mit Jagdszene befand sich ein LCD-Fernseher, es gab eine gut bestückte Bar mit eingebautem Kühlschrank, einen Mahagonisekretär, in dem sich ein hochmoderner Computer verbarg, sowie einen kleinen Billardtisch. Eine Sitzgarnitur aus dunkelgrünem Leder war vor dem Kamin gruppiert und eine Wand bedeckten gut bestückte Bücherregale. Roberts Ansicht nach brauchte sein Partner dieses Zimmer eigentlich niemals zu verlassen, außer wenn er etwas essen oder sich waschen wollte.
Doch er war nicht neidisch auf Dens Wohlstand. Dessen Vater, der verstorbene Edmond Frederick Mason, hatte vor fast fünfzig Jahren zusammen mit seinem eigenen Vater die Kanzlei Mason & Mason gegründet. Als Dens Großvater starb, trat Den, der gerade sein Jurastudium beendet hatte, automatisch in seine Fußstapfen.
Robert hatte zur selben Zeit seinen Abschluss gemacht, doch im Gegensatz zu Den musste er sich mühsam seine Sporen in kleinen Anwaltskanzleien in Nordengland verdienen. Dabei sammelte er wertvolle Erfahrungen, und als Dens Vater an einem Herzinfarkt starb, wählte Den ihn als neuen Geschäftspartner und aus Mason & Mason wurde Mason &
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