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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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gefahren.«
    Es war, als wäre die Luft im Raum plötzlich zu Eis erstarrt. Robert wollte Erins Reaktion beobachten, aber gegen das Licht, das durch das Milchglasfenster fiel, konnte er nur ihre Silhouette erkennen.
    »Nach Brighton?«
    »Ich war bei Baxter King.« Gespannt wartete er auf ihre Antwort, doch sie stand nur fröstelnd da und zog den Bademantel enger um sich. Das Wasser aus ihrem Haar lief ihr in kleinen Rinnsalen über das Gesicht. Sie machte keine Anstalten, es wegzuwischen. Die Sekunden zogen sich endlos hin.
    »Ist das ein Anwalt? Oder ein Mandant?«, fragte sie schließlich gelassen. Robert erkannte seine Frau nicht wieder. Von einer Minute zur anderen war sie wie verwandelt. Sie machte einen selbstsicheren Eindruck und wirkte beinahe ein Stück größer als sonst. Ganz ruhig kam sie auf ihn zu, duckte sich gewandt unter seinem Arm hindurch und ging ins Schlafzimmer.
    »Du hast den Namen noch nie erwähnt!«, rief sie zurück, während sie Kleidungsstücke von der Garderobe nahm und aufs Bett legte.
    Robert drehte sich zu ihr um. Er traute seinen Ohren nicht. Mit dem Rücken zu ihm schlüpfte Erin in Jeansshorts und ein rückenfreies Top und wickelte sich ein Handtuch um das nasse Haar. Dann setzte sie sich an den Toilettentisch, um sich das Gesicht einzucremen und die Wimpern zu tuschen. Sie wirkte geradezu fröhlich und beschwingt, so als habe sie noch nie von Baxter King gehört. Als bedeute es nichts, dass Robert ihn erwähnt hatte.
    Nur zu gern hätte Robert ihr geglaubt. Sein Körper, der seit vierundzwanzig Stunden unter Hochspannung stand, sehnte sich nach Ruhe und Frieden. Am liebsten wäre er mit ihr ins Bett gegangen und hätte sich ihren Zärtlichkeiten überlassen. Doch er konnte jetzt einfach nicht aufgeben, auch wenn die Erinnerung an Jenna jedes Wort überschattete.
    »Du willst also behaupten, dass du noch nie etwas von einem Mann namens Baxter King gehört hast?« Robert tigerte im Schlafzimmer auf und ab wie vor einer Geschworenenbank.
    »Genau«, sagte Erin, ohne die Lippen zu bewegen, weil sie gerade Lipgloss auftrug.
    »Gehe ich dann auch recht in der Annahme, dass du noch nie in Brighton gelebt hast?«
    »Voll und ganz. Ich bin überhaupt noch nie dort gewesen.« Erin band sich ihre Uhr um.
    »Was würdest du sagen, wenn ich behaupte, dass ich etwas anderes gehört habe, nämlich dass du Baxter King sehr wohl kennst und einige Jahre in Brighton gewohnt hast?« Robert stand jetzt unmittelbar hinter seiner Frau und starrte ihr Spiegelbild an.
    »Ich würde sagen, dass du etwas Falsches gehört hast.« Reglos, die Hände im Schoß gefaltet, saß Erin da und blickte ihn offen an. Nur unter ihrem linken Auge zuckte es leicht.
    Roberts geübtem Auge entging die winzige Bewegung ebenso wenig wie ihr krampfhaftes Schlucken und die angespannten Kiefermuskeln. Nicht umsonst hatte er schon viele Stunden bei Polizeiverhören zugebracht. Erin wirkte unnatürlich beherrscht.
    »Wenn ich dir jetzt eine Frage stelle, von der unsere ganze gemeinsame Zukunft abhängt, wirst du mir eine ehrliche Antwort geben?«
    »Sicher, aber …«
    »Hast du dein Geld schon mal mit Sex verdient?«, stieß er hervor. Das Wort »Prostituierte« wollte ihm nicht über die Lippen. Sie fuhr herum, sprang auf und starrte ihn an. In ihren Augen standen Tränen, und ihre Lippen öffneten sich leicht wie zu einem stummen Protest. Alles nur ein Trick, um Mitleid zu erregen und Zeit zu gewinnen, dachte Robert und fragte sich, ob sie wohl gleich den Handrücken an die Stirn pressen und ohnmächtig zu Boden sinken würde.
    Doch in diesem Augenblick schlug unten die Eingangstür zu, und sie fuhren beide zusammen. Eine fröhliche junge Stimme erklang im Hausflur, und wenige Sekunden später hörten sie, wie Ruby ihre neueste Komposition spielte.
    Der entscheidende Augenblick war vorüber. Robert war ratlos er fühl te sich wie der Befehlshaber einer Armee, die zum Angriff bereit hinter ihm stand, ehe unverhofft ein Unbeteiligter auf das Schlachtfeld geriet. Um diesen unschuldigen Menschen zu schonen, ließ Robert Erin aus dem Schlafzimmer entkommen. Von der Treppe aus rief sie ihre Tochter und fragte, warum sie schon so früh nach Hause gekommen sei.
    Robert setzte sich auf den Hocker vor dem Toilettentisch und starrte in den Spiegel. Ein erschöpftes, verzerrtes Gesicht schaute ihm entgegen. Dann richtete er seinen Blick auf die Tür, durch die gerade seine Frau verschwunden war. Er konnte ihren Duft noch riechen und die

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