Blutskinder
den japanischen Ahorn an die falsche Stelle gepflanzt hatten, und um den Bowman-Fall. Robert bat seinen Partner noch einmal, ihn zu übernehmen, doch Den lehnte ab.
»Tut mir leid, aber ich habe zu viel zu tun. Damit musst du schon allein klarkommen.«
»Na gut, dann werde ich ihn eben vertreten. Wenn ich Glück habe, ist es mit einer Anhörung getan. Mir tun nur die Kinder leid. Die sollen bei dem Mann leben, der ständig ihre Mutter verprügelt hat!« Im selben Augenblick merkte Robert, was ihm da herausgerutscht war.
»Hat dein Mandant das zugegeben?«, fragte Den mit vollem Mund.
Mit einem Seufzer legte Robert sein Besteck hin. »Seine Frau, Mary Bowman, kam neulich zu uns ins Büro, um mir zu sagen, dass sie ihrem Mann die Kinder überlassen will. Sie sah aus, als wäre sie unter einen Bus gekommen.«
Während Den schweigend und gedankenverloren kaute, dachte Robert über seine eigenen Worte nach. Mary Bowman wollte ihrem Mann die Kinder überlassen. Was gab ihr eigentlich das Recht dazu? Und wie konnte Jed Bowman sich anmaßen, das Sorgerecht für seine Kinder zu verlangen? Robert war sich plötzlich ganz sicher: Man musste die Kinder selbst entscheiden lassen, bei wem sie leben wollten. Schließlich waren sie mit elf und dreizehn alt genug dazu. Er dachte an Ruby. Falls Erin und er sich trennen sollten, würden sie es ihr, obwohl Robert keinen juristischen Anspruch auf sie hatte, freistellen zu wählen, da war er sich ganz sicher. Kinder waren kein Eigentum, besonders wenn es sich um Eltern wie Mary und Jed Bowman handelte.
»Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn du dich mit der gegnerischen Partei …«
Robert hob abwehrend die Hand. »Lass nur, Den. Ich mache das schon.« Damit war das Thema beendet.
Robert bezahlte das Taxi und stieg langsam die Stufen zu seiner Haustür hinauf. Nach dem guten Essen und diversen Gläsern Wein und Cognac fühlte er sich entspannt und besänftigt genug, um noch mal im Guten mit Erin zu reden.
Nach dem Lamm hatte Tula Obstgratin mit Crème fraîche serviert. Danach gingen Den und Robert wieder in die Bibliothek, wo sie Brandy tranken und sich noch lange unterhielten. Den, der immer noch nicht ganz im Bilde war, hatte Robert davon überzeugt, dass auch für Erin der Grundsatz »im Zweifel für den Angeklagte n« galt. Als Anwalt durfte sich Robert nicht ausschließlich auf die Aussage eines völlig Fremden verlassen. Den redete ihm gut zu, sich bei seiner Frau zu entschuldigen und am nächsten Morgen noch einmal in aller Ruhe mit ihr zu sprechen.
Wie erwartet war das Haus dunkel und still. Die grünen Leuchtziffern am Herd zeigten elf Uhr dreißig. Robert trank noch einen Schluck Wasser, bevor er nach oben ging. Bestimmt würde er morgen einen heftigen Kater haben, nachdem er an diesem Abend mehr Alkohol getrunken hatte als sonst in einer ganzen Woche.
Weil Erin vergessen hatte, im Schlafzimmer die Vorhänge zuzuziehen, lag der Raum in dem unheimlichen orangegelben Licht der Straßenlaternen. Robert stutzte – Erins Bett war leer. Spontan schlug er die Decke zurück, als wollte er nachsehen, ob sie sich darunter versteckt hatte. Wahrscheinlich schlief sie im Gästezimmer oder bei Ruby. Er schlich über den Treppenabsatz und schaute nach. Auch das Gästebett war unbenutzt. Als er die Tür zu Rubys Zimmer einen Spaltbreit öffnete, stockte ihm vor Schreck der Atem. Sie war ebenfalls nicht da!
Fluchend marschierte Robert zurück ins Schlafzimmer, schaltete das Licht an und riss den Kleiderschrank auf. Die meisten von Erins Sachen waren fort, bis auf ein Häufchen Kleidungsstücke auf dem Boden des Schrankes. Auch die Schmuckschatulle vom Toilettentisch war weg, ebenso wie Erins Zahnbürste und ihre Kosmetika im Badezimmer. Er sah in Rubys Zimmer nach. Auch von ihren Kleidungsstücken fehlten einige.
Robert ließ sich auf Rubys Bett fallen und vergrub das Gesicht in ihrem Kissen. Ihm war zumute wie an dem Tag, als er es endlich fertiggebracht hatte, Jennas Sachen aus dem Haus zu schaffen. Stück für Stück hatte er alles eingepackt und es teils zur Kleiderkammer, teils zu Jennas Angehörigen gebracht. Ein paar Sachen hatte er auch weggeworfen. So schnell wanderte ein ganzes Leben auf die Müllkippe.
Robert, sagte sie.
Er fuhr hoch, weil er dachte, es sei Erin. Doch er hatte Jennas Stimme gehört, die ihn beschwor, nicht wieder die gleichen Fehler zu machen. In diesem Augenblick erst wurde ihm richtig bewusst, dass Erin und Ruby ihn verlassen hatten.
17
S
arah
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