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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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dem Ersatzschlüssel auf. Zum Glück hatte Erin den Alarmcode nicht geändert. In dem dunklen Verkaufsraum roch es nach Blumen und abgestandenem Wasser.
    Durch die große Schaufensterscheibe blickte Robert in den prasselnden Regen hinaus. Er war froh, dass sich die tüchtige Louisa der Angelegenheit angenommen hatte. Dennoch wurden seine Schuldgefühle immer größer, als er darüber nachdachte, wie sie jetzt trocken und sicher in seinem Haus saß, während sich Erin und Ruby womöglich irgendwo draußen herumtrieben.
    Ob Erin wohl auch gerade zu den dunklen Regenwolken hinaufblickte? Hatte sie die Blitze gesehen, die quer über den Horizont zuckten? Lief sie vielleicht ziellos und durchnässt durch die Straßen, Ruby hinter sich herziehend? Robert trommelte mit den Fingern gegen die Fensterscheibe. Ein weiterer Blitz erhellte den Himmel.
    »Hol dich der Teufel, Erin Knight!«, stieß Robert hervor. Vor lauter Liebe zu ihr tat ihm das Herz weh.
    Er wusste nicht recht, was er jetzt tun sollte. Die Arbeit in der Kanzlei konnte warten. Zunächst einmal wollte Robert den Blumen neues Wasser geben. Er hatte eine ungefähre Idee davon, was der Warenbestand wert war. Wenn die Blumen verdarben, war das ein teurer Spaß. Robert hoffte insgeheim, dass Erin auf irgendeine Weise spüren konnte, dass er sich um ihre Blumen kümmerte. Dann würde sie wissen, dass die Liebe zwischen ihnen trotz allem noch nicht erloschen war.
    Robert hatte sich auf den ersten Blick in Erin verliebt und bald gemerkt, dass ihre Liebe wie eine zarte Blüte war, die gehegt und gepflegt werden wollte. Während er jetzt behutsam ein Dutzend safrangelbe und kirschrote Orchideen aus einem Eimer nahm, hatte er das Gefühl, als hielte er schöne Frauen in seidenen Saris in seiner Hand, Frauen, die sanft die Köpfe neigten, als er sie auf dem Ladentisch ablegte. Er ging ins Hinterzimmer, goss das alte Wasser aus, füllte den Eimer neu und stellte die Blumen dann vorsichtig wieder hinein. Das Gleiche machte er mit allen zwanzig Eimern, bevor er die Blüten besprühte und verwelkte Blumen aus dem Schaufenster entfernte. In der Zeit rüttelten mehrere Kunden an der Tür, an der noch immer das »Geschlossen« -Schild hing.
    Als Robert fertig war, setzte er sich auf Erins Stuhl hinter den Ladentisch und sehnte sich nach einer Zigarette. Er fühlte sich so leer wie noch nie zuvor.
    Beim Anblick des Strafzettels unter dem Scheibenwischer versetzte Robert dem Autoreifen einen wütenden Tritt und ließ den Wagen, wo er war. Er wanderte ziellos durch die Straßen, bis er in einer Kneipe landete. Dort trank er mehrere Bourbon und steckte ein paar Münzen in den Zigarettenautomaten. Gleich darauf inhalierte er tief den Rauch und genoss den leichten Schwindel, den ihm diese erste Zigarette seit langer Zeit verursachte. Seit er Erin kannte, hatte er nicht mehr geraucht. Stundenlang saß er schweigend da und bedauerte sich selbst, weil sein Schicksal eine so grausame Wendung genommen hatte.
    Als Robert schließlich aus der Kneipe trat, spürte er den Regen gar nicht. Erst als er sich mit der Hand über das Gesicht strich, merkte er, dass er völlig durchnässt war. Die Straßen, durch die er abermals aufs Geratewohl lief, waren ihm fremd und fern, wie die Linien auf einem Stadtplan. Sein nasses Hemd klebte ihm am Körper und er dachte unwillkürlich daran, wie er Erin unter der Dusche zugesetzt hatte. Er hätte wissen müssen, dass sein Verhalten sie aus dem Haus treiben würde.
    Er steckte sich eine neue Zigarette an und sog den scharfen Rauch tief in die Lungen. Der Rauch hinterließ einen bitteren Geschmack in seinem Mund, so bitter wie an dem Tag, als er nach Brighton gefahren war und die Wahrheit über Erins Vergangenheit herausgefunden hatte. In seinem vom Alkohol benebelten Hirn formte sich der Gedanke, dass er auf der Stelle Baxter King anrufen sollte, um noch mehr über Erin herauszubekommen.
    Robert kauerte sich in einem Ladeneingang zusammen und kramte in der Tasche nach seinem Mobiltelefon. Es war nicht da. Vor Wut fluchend trat er kräftig gegen die Hauswand. Nach und nach dämmerte es ihm, dass er das Handy wohl in der Kneipe vergessen hatte, doch er wusste nicht mehr, welche Kneipe es gewesen war und wo sie sich befand. Seine Brieftasche war jedoch noch da. Er schaute sich nach einer Telefonzelle um.
    Die Zelle war eng und stank nach Urin, doch zumindest war er im Trockenen. Durch die feuchten Kleider und seinen Atem beschlugen die Scheiben im Handumdrehen.

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