Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutskizzen

Titel: Blutskizzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
Vom Netzwerk:
Keller machen.«
    »Okay. Wart ihr schon unten?«
    Binz reagiert auf die Lautstärke, sein Kopf erscheint in der Tür. »Nur kurz, auf den ersten Blick sind nur zwei Räume wirklich interessant.«
    »Ich geh schon mal runter.«
    Sein Kopf verschwindet wieder. Die Tasche steht in der Küche. Klemmbrett, Memocord, Stift.
    Der Magen knurrt, hätte was essen sollen.

SONNTAG

08 Uhr 01
    Das pulsierende Fiepen geht über in verhaltenes MG-Feuer. Aus. Stille. Ganz leise aus einer Wohnung Musik, die Melodie ist nicht zu erkennen, den Bässen nach könnten es Schlager sein. Die Digitalanzeige zeigt 08.03. Fünf Stunden, immerhin. Die Beine gehorchen mit Verzögerung, Jalousien hoch, es wird kaum heller. Der Himmel wie Milch und Wasser, die Blätter hängen bewegungslos an der Esche. Wenigstens regnet’s nicht.
    Im Spiegel das Übliche, die Tränensäcke etwas üppiger. Haare waschen wäre auch mal wieder dran. Heute Abend vielleicht, jetzt keinen Bock auf Fönen. Der Strahl trifft die Keramik zwei Finger breit hinter dem Wasserspiegel. Ist wirklich eine Kunst, so zu pissen, dass es möglichst wenig spritzt. Ob das schon mal einer wissenschaftlich untersucht hat, so als Thema für’ne Doktorarbeit? Über die Positionierung des Strahls beim Urinieren aus größerer Höhe oder so.
    In der Kaffeedose eine letzte Prise, das reicht nicht. Scheiße, gestern vergessen. Dann eben auf der Dienststelle.
    War leider schon zu spät für Ayse. Kein Wunder, halb drei. Aber heute, irgendwie dazwischenkriegen, unbedingt.
    Außergewöhnlicher Tatort gestern. Sammeln bis in den Tod, alles oder besser alles, was einen gewissen Wert hat. Acht Meter Aktfotografie direkt neben den Comics. Von der Kinderseele mitten in die Pubertät. Hätten wir mit vierzehn wer weiß was für gegeben, solche Wichsvorlagen, traumhaft. Man musste sich immer mühsam Praline besorgen. Sexualbräuche der Naturvölker hieß das, halbwissenschaftlich verbrämtes Aufgeilgeschreibsel, ging einem damals schon beim Lesen einer ab. Klaus Gerbers Onkel, der gab ihm die immer, hatte ein Herz für die ängstlichen Sehnsüchte von Jungens mit Pickeln und fünf kräftigeren Haaren auf der Oberlippe. Manchmal gab’s sogar St.-Pauli-Nachrichten, das war’n richtige Feiertage damals. Wundgerieben, die Wurzel. Harte Zeiten.
    Umgebracht worden ist der da nicht, sieht nicht danach aus. Aber vielleicht findet der Hund heute noch was, würd mich aber wundern. Dezent vorgegangen ist der, fast vorsichtig, ist ungewöhnlich. Spricht dafür, dass es nur einer war, mehrere haben sich da weniger unter Kontrolle. Spricht für Michels. Fast alles durchsucht, aber kaum Unordnung, nichts zerstört. Kein Vandalismus, nicht rumgesaut und nur das Zeug mitgenommen, das schwer zu identifizieren und leicht zu Geld zu machen ist. Münzen, vielleicht den Schmuck, auf jeden Fall Bares, wenn was da war. Aber das meiste liegt wahrscheinlich im Safe. Wenn’s gut läuft, kommt morgen früh schon der von der Firma.
    Acht Uhr einundzwanzig, wird Zeit.
    Die nächste 719 fährt um fünfzig, Sonntag. Bedeckter Himmel, aber einigermaßen trocken. Dann eben das Auto, heut gibt’s auch Parkplätze.

09 Uhr 43
    »Wieso heißt das eigentlich Doppelhaushälfte?« Ernst lehnt mit dem Hinterkopf an der Kopfstütze, geschlossene Augen.
    »Häh?«
    »Wieso heißt das Doppelhaushälfte? Wenn es ein Doppelhaus ist, sind es doch zwei Häuser, dann ist die Hälfte davon ein Haus. Warum dann Doppelhaushälfte?«
    »Soll ich mal versuchen, mit meinen Händen zu zeigen, wie weit mir das am Arsch vorbeigeht?«
    Sein müdes Lachen ist nur an zwei tonlosen Schnaufern zu erkennen.
    »Was sollen wir überhaupt hier?«
    »Ich will mir nur mal ansehen, wo er wohnt, einfach ein Bild machen.«
    »Hinstellen können wir uns hier nirgendwo. Zwei Kerle im Auto am Sonntagmorgen, da hetzt dir der Bürger Aufmerksam gleich die Kollegen auf den Hals.«
    Auf einem Brachstück zwischen den Häusern lässt ein Teenager eine Promenadenmischung kacken, Kapuze bis über die Nase gezogen. Bei dem Wetter schicken sie lieber die Kinder raus. Er steht neben dem Hund, als würde er noch schlafen.
    »Bei dem Wetter pennen die noch alle um diese Zeit. Sonntag.«
    »Es sei denn, man hat einen Hund.« Er zeigt nach rechts, das Kapuzengesicht schlafwandelt zurück.
    Die älteren Häuser werden weniger, nach der Kreuzung beginnt Neues Feld, Nummer 77 ist noch ein Stück. Die Bäume in den Vorgärten noch klein, an Pflöcken vertäut, die meisten Rabatten

Weitere Kostenlose Bücher