Blutskizzen
Doppelbrötchenhälfte.«
Schon wieder mit geschlossenen Augen.
12 Uhr 04
Der Flur ist leer, Sonntag, auf dem Boden feuchte Fußabdrücke, Tropfen. Im MK-Raum nur VG und Altenkamp vor den Terminals, VG mit Blümchenkrawatte.
»Wo sind die anderen?«
»Wenn du die wichtigen Leute meinst, im Frühstücksraum, mit eurem Exkollegen, wollten ungestört sein.« VG, ohne vom Bildschirm aufzusehen. Frühstücksraum. Sie haben sich um den Tisch verteilt, Oliver steht, die anderen sitzen. Er kommt entgegen, lacht, fester Händedruck, mit der Linken auf die Schulter.
»Hallo, Konni, alter Lehrmeister, wie geht’s?« Die Augen voll glaubhafter Freude, gegelte Haare, streng nach hinten, gestreifte Krawatte, Jackett. Donnerwetter, Oli ist aber auf der Leiter nach oben.
»Gut, und dir offensichtlich auch. Ist das Pflicht am LKA?« Einmal kurz am Krawattenknoten zupfen, er lässt es zu. »Bin ich zu spät?«
»Wir wollten grad anfangen.« Ulla, kurzärmeliges grünes T-Shirt, bei dem Wetter. Atze rührt in seiner Tasse. An den Türen des Hängeschrankes vier Fotos, DIN-A4, Querformat. Nackter alter Mann im Grünen, etwas Müll zu erkennen, keiner von unseren. Oliver geht ans Ende des Tisches, bleibt stehen, vor sich reichlich Papier.
»Also«, er sieht auf, letzte Unsicherheit kann er nicht vermeiden, »vorweg ein paar Dinge: Was ich euch erzählen will, ist keine richtige Fallanalyse, schon gar keine vergleichende, denn dazu brauchten wir einen Auftrag, viel mehr Zeit und würden das im Team machen. Als Ulla mich letzte Woche - Mittwoch?«, Ulla nickt, »anrief, fühlte ich aber doch eine Verbundenheit mit meiner alten Dienststelle und hab mich mal ein paar Tage reingekniet, mit dem Einverständnis meines Chefs. Ulla hatte mir ja die Kopie der Akte Container geschickt, und ich habe mal versucht, das in einen ViCLAS-Erhebungsbogen zu übertragen, einfach zur besseren Recherche. Wie gesagt, alles behelfsmäßig, nicht wie es eigentlich sein sollte. Mit diesen Daten habe ich mich mal auf die Suche gemacht.« Er nimmt sich einen seiner Stapel. »Und habe auch was gefunden, genauer gesagt zwei Fälle, die schon Ähnlichkeiten aufweisen. Die erste Tat«, er zeigt auf die Bilder am Schrank »vom 02.08.98, bearbeitende Dienststelle: Kripo Weiden in der Oberpfalz. Das Opfer war der leitende Beamte Adolf Benz, 20. 04. 41, zur Tatzeit also sechsundfünfzig. Er wurde nackt und gefesselt im Gebüsch auf einem Parkplatz an der A 93 gefunden. Benz wohnte in Weiden, lebte allein und war homosexuell, was bekannt war, aber kein wirkliches Thema, sagt jedenfalls einer der Berichte. Ist erstaunlich, weil der Mann auch lokalpolitisch aktiv war. Der Tatort ist unbekannt, es ist nicht die Wohnung des Opfers, die vom oder von den Tätern vermutlich nicht betreten wurde, es gibt auch keine DNA.«
Na, das kennen wir doch irgendwoher.
»Das Motiv ist unklar. Das Opfer hatte Kopfverletzungen, todesursächlich war jedoch vermutlich ein Würgen, beziehungsweise ein Verlegen der Atemwege. Es gab Würgemale, allerdings keinen Bruch des Zungenbeins. Das Opfer war Bartträger, wie ihr seht«, er geht zum Schrank, zeigt auf eines der Fotos, »darauf komme ich gleich noch mal zurück. Für eine sexuell motivierte Tat gibt es wenig bis kaum konkrete Hinweise, von den Dingen, die das Opfer zur Tatzeit bei sich hatte, also Kleidung, Papiere, Schmuck und eventuell Geld, fehlt jede Spur.«
Na, das kennen wir doch auch von irgendwoher.
Leichte Unruhe in der Runde, bejahendes Grummeln, Nicken.
»Donnerwetter, schon’ne ganze Menge Übereinstimmungen.« Ulla mit weiten Augen.
»Ach ja, am Opfer waren nur die Fesseln, sonst nichts. Sämtliche Spuren, die sich an der Leiche befanden, könnten vom Auffindeort stammen.«
»Womit war er gefesselt?« Ernst, wie üblich mürrisch.
»Mit handelsüblichen Kabelbindern aus dem Baumarkt.« Wortlose Zustimmung.
»Bevor ich euch hierzu weitere Überlegungen erläutere, vielleicht der zweite Fall. Der ist aus 2001, 06. 03. Opfer war der selbstständige Unternehmer Hans Werner Schmitz, zur Tatzeit einundsechzig Jahre alt.« Er geht zum Hängeschrank, klebt drei weitere Bilder unter die anderen. Nackter, alter Mann auf Müll. »Schmitz wurde in einer größeren Müllmulde auf dem Gelände einer stillgelegten Fabrik am Stadtrand von Leverkusen gefunden. Sachbearbeitende Dienststelle ist die Kripo Leverkusen. Er war zur Auffindezeit nackt und an den Händen und Füßen gefesselt, auch hier mit einem handelsüblichen
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