Blutskizzen
dahin.«
»Ich wünsche es Ihnen von Herzen.« Er schließt die Augen, lässt sie eine Weile geschlossen. Das Ganze strengt ihn doch ganz schön an. Aufstehen.
»Ich geh dann mal, die Arbeit ruft.«
Er schlägt die Augen wieder auf. »Das ist meinetwegen nicht nötig, Herr Kirchenberg, ich brauche zwischendurch nur öfter eine kleine Pause.«
»Nein, das ist es auch nicht, ich muss wirklich wieder zur Dienststelle. Es ist halt wie immer,’ne Menge zu tun.«
»Es war wunderbar, Sie wiederzusehen, und es war wunderbar, mal wieder ein Gespräch zu führen, wie wir so einige hatten.« Er fasst mit beiden Händen zu, hält fest.
»Es wird nicht unser letztes bleiben, Herr Siele, ich komme wieder, bestimmt.« Er drückt noch einmal mit matter Kraft. »Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag.«
»Gute Tage.« Er seufzt einmal tief. »Wissen Sie, Herr Kirchenberg, trotz alledem, worüber wir eben gesprochen haben. Das Schönste an den Tagen ist doch immer, dass es einen nächsten gibt.«
Leichtes Vakuum in der Magengegend, Gänsehaut. Er sagt es fast zufrieden. Ist das Glauben?
… Herr Michels ist für mich eines von vielen Beispielen, dass Gott Menschen errettet und Leben heilt …
»Erlauben Sie mir noch eine Frage, Herr Siele, so quasi an einen Sachverständigen. Kann der Glaube einen Menschen verändern? Ich meine, so richtig verändern, völlig, von Grund auf?«
Er wendet den Blick, sieht aus dem Fenster, kommt zurück.
»Ich werde darüber nachdenken.« Kleine Pause. »Alter Freund.« Das Letzte doch mit Überwindung.
Der Bruder kommt mit zur Tür, legt die Hand auf die Schulter.
»Danke, Herr Kirchenberg, für den Besuch...« Er will noch etwas sagen, lässt es.
»Ich werde wiederkommen, versprochen. Hier ist meine Karte, da ist auch meine Handynummer drauf, falls...«
Er nickt mit geschlossenen Augen, alles klar.
Im Gartenteich das Bild der Straßenlaternen, die Wasserfläche wie ein Spiegel.
20 Uhr 23
Mit Kondom. Warum will sie plötzlich wieder mit Kondom, nach zehn Jahren Ehe? Weil sie ihn schützen will? Die Liebe ist weg, aber ein Rest Verantwortungsgefühl ist noch da? Wobei sie nicht abweisend ist, hat Bruno gesagt, eher traurig, bedrückt. War schon immer komisch, Doris.
Ein Opel blinkt, will links rüber. Na, komm rein!
Und in den letzten sechs Wochen zweimal nach Holland, für zwei Tage. Mit der besten Freundin, aber das heißt ja nun gar nichts. Seelenverwandte, die würden wahrscheinlich lügen wie ein Gebrauchtwagenhändler, wenn es drauf ankommt. Vielleicht hat sie sich in Holland mit irgendwem getroffen, und die Freundin ist aus Solidarität mitgefahren. Möglich. Ist eigentlich immer nett im Umgang, ist nichts gegen zu sagen. Aber trauen, so richtig über den Weg trauen? Ne.
Der Opel zieht wieder nach rechts. Überholen, am Steuer eine schwarzhaarige Schönheit, kurz auf gleicher Höhe bleiben. Sie sieht rüber, noch ein Blick, ein scheinbar verstecktes Lächeln. Wahrscheinlich verheiratet, Papa sitzt zu Hause, und Mama baggert beim Autofahren Kerle an.
Die Sache mit dem Kondom ist unerklärlich.
Meiers Busch. Auf der Straße Schweller, blitzblanke Vorgärten, überall weiße Zaunelemente. Nach der Wiese die Zufahrt zum Sportplatz, das kleine Wäldchen, Nummer 47. Liegt wirklich abgelegen hier, und man kommt auch von der anderen Seite ran, vermeidet so die Siedlung. Die Dienstautos stehen vor dem Haus, der Transit vom ED rückwärts in der Einfahrt. Im Rückspiegel ein Fiesta, bleibt dicht dran. Die Straßenlaternen spiegeln sich in der Scheibe, das Gesicht ist nicht zu sehen. Rechts ran, parken, er fährt dicht auf, macht den Motor aus, Tür auf. Im gelben Schein der Innenbeleuchtung das Gesicht von Gärtner vom Kurier. Aussteigen.
»Herr Gärtner, jetzt erst vor Ort. Das hat heute aber lange gedauert.«
»Nur weiter so, Herr Kriminalhauptkommissar«, schelmisches Grinsen mit gesenktem Kopf. »Sie werden schon sehen, was Sie davon haben.« Er schultert seine Tasche, kommt, kräftiger Händedruck. »Ich glaube, ich bin sogar der Erste, ist noch nichts durchgesickert. Können Sie schon was sagen? Ist es das Opfer vom Weidengrund?«
»Tut mir leid, ich kann Ihnen gar nichts sagen, sehen Sie ja, bin auch grad gekommen.«
»Hab ich mir schon gedacht. Gibt es morgen eine Pressemitteilung?«
»Ich nehme es an.«
»Dann wollen wir mal sehen, was uns die Nachbarn zu erzählen haben.« Er stiefelt los.
Der Kies in der Garageneinfahrt knirscht, geschwungene Treppe zum Eingang.
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