Blutspiele
verrückt. Ich bin nicht verrückt. Er war der Irre. Glauben Sie, das ist leicht für mich? Ich habe Angst, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Die da sagen mir dauernd, dass ich weggehen soll, aber ich glaube, sie haben nicht recht. Ich brauche Hilfe. Aber nicht von Ihnen. Ich werde zu meinem Vater gehen oder vielleicht zu einem von den Polizisten da drüben. «
»Unbedingt. « Er drehte sich um. »Ich schicke einen der Polizisten zu Ihnen. Bleiben Sie, wo Sie sind. « Schnell ging er weg. Nicht zu schnell. Er lief nicht davon, sagte er beruhigend zu sich selbst, er bemühte sich nur, eine schwierige Situation zu bewältigen. Er warf einen Blick zurück. Sie stand immer noch da und wartete.
Scheiße. Gib’s doch zu. Natürlich lief er davon. Nicht nur vor Nancy Jo Norris, sondern auch davor, was ihr Auftauchen über seine geistige Gesundheit aussagte.
Vor dem Polizisten am Absperrband blieb er stehen. »Würden Sie diese Frau bitte in Gewahrsam nehmen, Officer Millbran? Wir müssen sie befragen.«
»Ja, natürlich. Welche Frau?«
»Was meinen Sie?« Er deutete mit dem Kopf. »Die Frau da drüben in dem roten Sweatshirt.«
»Gut. Ich werde sie schon finden.« Der Polizeibeamte rannte auf die Bäume zu.
Sie finden? Sie stand direkt vor ihm und wartete auf ihn.
Ein Schauder lief Joe über den Rücken, als ihm klarwurde, dass Millbran sie nicht gesehen hatte. Obwohl er nur wenige Meter von ihr entfernt stand, hatte er sie nicht gesehen.
Sie sah so verwirrt aus, wie Joe sich fühlte. Aber sie empfand wohl kaum die gleiche Panik wie er. Denn er bildete sich das alles ein. Es war nicht real. Wieder eine Halluzination.
Er riss seinen Blick von ihr los, drehte sich auf dem Absatz um und ging wie blind zu seinem Auto. Was zum Teufel war mit ihm los?
Joe vermied es, zu den Bäumen hinüberzusehen. Stattdessen blickte er starr geradeaus, seine Hände umklammerten das Lenkrad. Er hatte nicht vor, auf Officer Millbran zu warten, damit der ihm sagte, da sei keine Frau im roten Sweatshirt gewesen. Er hatte keine Lust auf die Verwirrung des jungen Mannes und seine Entschuldigungen. Mit diesem Problem musste er selbst fertig werden, wie immer.
Aber so ein Problem hatte er noch nie gehabt, eines, das seine ganze Existenz auf den Kopf stellen könnte. Wenn er nicht aufpasste, würde er sich bald in einer Zwangsjacke in der Klapsmühle wiederfinden. Beim ersten Mal hatte er es noch auf den Stress schieben können. Dieser zweite Vorfall zeigte, dass er definitiv durchgeknallt war.
Nein! Das konnte einfach nicht sein, wenn er ansonsten, in jeder anderen Hinsicht, völlig normal war.
Er ließ den Wagen an und fuhr los. Am besten, er verhielt sich so, als wäre gar nichts geschehen, bis er herausfinden konnte, was eigentlich mit ihm los war. In der Zwischenzeit würde er bei der Dienststelle vorbeischauen, um einen Blick auf den Kelch zu werfen, den Eve im Kühlschrank entdeckt hatte, und ihn mit dem vergleichen, den sie in der Hand von Nancy Jo Norris gefunden hatten.
Dann würde er nach Hause gehen zu Eve und Jane. Wie seltsam, dass er heute Morgen nichts Dringenderes zu tun hatte, als ihnen zu entkommen. Nach dem, was im Wald geschehen war, sollte er sich wohl noch mehr Sorgen machen, dass sie etwas Ungewöhnliches an ihm bemerken könnten. Aber irgendwie war es nicht so. Für die Liebe und den Trost, den sie ihm geben konnten, war er bereit, seine schützenden Mauern niederreißen zu lassen.
Am Ende hatten Stolz und Ego keinerlei Bedeutung. Liebe war das Einzige, was zählte.
»Patty Avery ist mit Toby auf dem Weg hierher«, sagte Jane, als sie aus dem Schlafzimmer trat. »Sie hat mich auf dem Handy angerufen und gesagt, ich soll auf sie warten. Sie meinte, sie bekommt mich gar nicht mehr zu Gesicht, und diesmal will sie unbedingt eine Tasse Kaffee mit mir trinken, ehe ich wieder verschwinde.«
»Das ist wahr«, sagte Eve, während sie Kaffee in die Kaffeemaschine füllte. »Joe und ich sehen Patty viel häufiger als du. Sie ist ein Geschenk des Himmels, weil wir immer mal jemanden brauchen, der auf Toby aufpasst, wenn wir unterwegs sind. Sie ist uns eine genauso gute Freundin wie dir.«
»Sie war meine beste Schulfreundin, und eigentlich hatte ich erwartet, dass wir den Kontakt verlieren, aber das lässt sie nicht zu«, sagte Jane und holte die Tassen aus dem Schrank. »Patty ist eine regelrechte Dampfwalze. Sie hat mir mal erzählt, dass sie nicht viele Freunde hat und es sich daher nicht leisten
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