Blutspur des Todes
klang jetzt wie ein kleiner Junge und wandte seinen Blick nicht von dem Zeichentrickkojoten, der sich gerade mit einer Stange Dynamit selbst in die Luft gejagt hatte. »Ich habs versaut.«
»Hör auf damit!« Melanies scharfer Ton ließ Andrew wie Charlie gleichermaßen zusammenfahren. »Ich will so was nicht hören!« Dabei marschierte sie weiter auf und ab.
»Es war bestimmt nicht deine Schuld, Charlie«, versuchte Andrew es weiter. Er hatte schließlich nichts zu verlieren. »Du hast die ganze Zeit immer nur getan, was Jared wollte. Aber du bist ganz anders als er. Ich bin sicher, du wolltest alles richtig machen.« Er bemerkte, dass Melanie stehen geblieben war und ihn musterte. Da sie jedoch schwieg, machte er weiter: »Du musst auch nicht alles tun, was Jared von dir verlangt.« Keine Antwort, keine Reaktion. Ohne einen Kratzer davonzutragen, hatte der Roadrunner gerade einen heimtückischen Anschlag des Kojoten überstanden. Charlie zuckte mit keiner Wimper.
Andrew sah hinüber zu Melanie und wartete, dass sie seinen Blick erwiderte. Würde sie stark genug sein, sich gegen ihren Bruder aufzulehnen? Würde sie begreifen, dass sie sich zwischen ihrem Bruder und ihrem Sohn entscheiden musste, wenn sie Charlie und vielleicht sich selbst retten wollte? Charlie schien ihr alles zu bedeuten. Ihr Blick vorhin, als sie aufgewacht und er fort gewesen war, hatte Bände gesprochen. Erst als sie seinen Rucksack gesehen hatte, hatte sie sich wieder beruhigt. Er fragte sich, ob die Bindung zwischen Mutter und Sohn wohl stärker war als die zwischen Bruder und Schwester.
»Sie wissen, dass er mich umbringen wird«, sagte er in Melanies Richtung und versuchte die Übelkeit zu unterdrücken, die dieser Gedanke in ihm auslöste. Sie wich seinem Blick nicht aus. »Hat es nicht schon genug Tote gegeben? Ich könnte Ihnen helfen. Ihnen und Charlie. Aber diese Sache muss aufhören, und zwar sofort. Verstehen Sie, was ich meine?«
Doch nicht Melanie antwortete, sondern Charlie. Er hatte seine Knie jetzt wieder eng an die Brust gezogen und wiegte sich vor und zurück. »Ich habe alles versaut«, brach es aus ihm heraus. »Jared hat gesagt, niemand kann mir helfen. Ich habe es vermasselt. Ich wollte es gar nicht. Ich sollte doch nur warten und ihnen Angst machen, bis Jared mit seiner Sache fertig war. Ich wollte ihnen wirklich nur Angst machen, aber ich habs versaut.«
Die Worte sprudelten aus ihm heraus wie Wasser aus geöffneten Fluttoren. Charlie holte kaum Luft, er wischte sich lediglich die triefende Nase an seiner Schulter und wiegte sich rhythmisch vor und zurück. »Als ich sie gesehen habe, bin durchgedreht. Ich bin völlig ausgeflippt. Ich habe einfach vergessen, dass sie mich ja gar nicht erkennen konnte. Ich wollte sie nicht erschießen. Ich wollte nur nicht, dass sie irgendwem was sagt. Dann ging die Waffe los. Einfach so. Sie ging einfach los, und alles war voller Blut. Ich dachte, ich müsste ins Gefängnis, wenn die anderen sagen, dass ich es getan habe. Die haben es doch gesehen. Die haben gesehen, dass ich es gemacht habe. Da habe ich sie auch erschossen. Es ist einfach so passiert. Ich habe es versaut, ich habe es verdammt noch mal versaut.«
Dann war sein Geständnis offenbar beendet, ebenso plötzlich, wie es begonnen hatte. Charlie schaukelte vor und zurück, hielt den Blick starr auf den Fernseher gerichtet und schwieg.
Andrew sah von Charlie zu Melanie und wartete mit klopfendem Herzen auf ihre Reaktion. Sie hatte die ganze Zeit über reglos mit verschränkten Armen dagestanden. Ihre Miene und ihr Blick waren völlig ausdruckslos. Dann ging sie hinüber zu ihrem Sohn und stellte sich zwischen ihn und das Fernsehgerät. »Sieh mich an, Charlie.« Sie wartete, bis er den Blick hob, sie ansah und plötzlich stillsaß. »Ich will, dass du mir jetzt genau zuhörst!«
Andrew hielt den Atem an. Dies war der entscheidende Moment. Brachte Charlies Beichte das Fass jetzt zum Überlaufen?
»Hör mir genau zu!« forderte sie ihn nochmals auf, diesmal mit so entschlossener Stimme, wie er sie bei ihr noch nie gehört hatte. »Du hast niemanden umgebracht! Hast du mich verstanden, Charlie? Du hast niemanden umgebracht. Und ich will nie wieder hören, dass du etwas anderes sagst. Hast du verstanden? Sag das nie wieder!«
Dann setzte sie ihren Marsch fort und lief wieder von einer Wand des Zimmers zur anderen und wieder zurück, als sei nichts geschehen. Als hätte es Charlies Geständnis nicht gegeben, als sei nichts
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