Blutspuren
heißt es für ihn, einen kühlen Kopf zu bewahren. Er wickelt den leblosen Körper in eine Steppdecke und legt ihn auf den Fußboden. Um zu überlegen, wie er das Mädchen spurlos verschwinden lassen könnte, will er spazieren gehen. Als er die Wohnung verläßt, begegnet er einer der alten Frauen aus der oberen Etage. Er grüßt, als ob nichts gewesen wäre und fragt: »Haben Sie vorhin das Kreischen gehört?«
Als die alte Dame verneint, erklärt er wie beiläufig: »Das war mein Plattenspieler, der hat verrückt gespielt!«
Perschke schlendert unauffällig durch die Gassen in Richtung Neißeufer und spielt gedanklich verschiedene Möglichkeiten der Leichenbeseitigung durch: Er weiß, unter dem Küchenschrank hat er schon längst eine Grube ausgehoben, von der aus er sich Stück für Stück vorarbeiten will, bis er die stillgelegte Gruft hinter der Friedhofsmauer erreicht. Dort soll nämlich das spätere »Labor« eingerichtet werden, in dem er seine »chemischen Experimente« ungestört fortführen will. Notfalls kann er die Leiche fürs erste dort deponieren. Dann fällt ihm ein, daß es besser wäre, sie zu verbrennen. Das dürfte nicht allzu schwer sein, denn der Weg bis zum Krematorium und die dortigen Gepflogenheiten sind ihm bestens vertraut. Er war schon etliche Male dabei, wenn der Amtsarzt nach der sogenannten Leichennachschau, die bei Einäscherungen gesetzlich vorgeschrieben ist, seinen Stempel auf den Sarg drückt, und er weiß, daß derlei Särge ungeöffnet dem Feuer überantwortet werden. Was wäre also leichter, als das tote Kind in einen solchen Sarg einfach dazuzulegen? Es ist lediglich ein günstiger Zeitpunkt für den unbemerkten Transport der Leiche bis zum Krematorium zu finden. Eine andere Möglichkeit sieht er im Vergraben der Leiche in einem bereits ausgehobenen Grab. Dann wäre nach der regulären Bestattung des offiziell dafür vorgesehenen Leichnams seine Spur ein für allemal verwischt. Für ein solches Vorhaben eignen sich am besten die Nachtstunden. Doch er will alles gut durchdenken, jedes Risiko vermeiden. Deshalb will er die Leiche vorerst in der Grube unter dem Küchenfußboden zwischenlagern.
Nach einer Stunde intensiven Nachdenkens kehrt Perschke in die Wohnung zurück. Er wickelt die Leiche des Mädchens aus der Steppdecke. Irgendwann hatte er einmal gelesen, man könne den Tod mit der »Spiegelprobe« sicher feststellen. Er hält nun einen Taschenspiegel vor die Atemöffnungen des toten Kindes, um zu sehen, ob dieser beschlägt. Nichts festzustellen! Der Atem des Kindes ist erloschen. Perschke ist zufrieden.
Mit einer Leine schnürt er das tote Kind zusammen, schiebt den Küchenschrank zur Seite, hebt die Dielenbretter heraus und wirft den Leichnam, die Bekleidung und die Kunststofftasche in die Grube. Unbemerkt kann er noch einige Eimer Sand von draußen holen, um damit das tote Mädchen zu bedecken. Dann setzt er die Dielenbretter wieder ein, schiebt den Schrank an die gewohnte Stelle zurück und hat damit fürs erste die Spuren seiner Untat verwischt. Als der ABV ihn am nächsten Tag unerwartet besucht, kann er ihm getrost die Wohnung präsentieren und mit großem Pathos vorgaukeln, wie sehr er den unbekannten Unhold verachtet, der dem vermißten Mädchen womöglich etwas Böses angetan hat.
Bereits zwei Tage nach dem schauerlichen Geschehen glaubt Konrad Perschke, daß Leichengeruch durch die Küchendielen dringt. Die regen Polizeiaktivitäten haben ihn bislang daran gehindert, die Leiche wie geplant fortzuschaffen. In einem Fachgeschäft für Farben und Lacke kauft er ratenweise mehrere 5-Kilo-Beutel Gips, rührt einen Brei an und hüllt den Leichnam damit ein. Um ganz sicher zu gehen, nimmt er sich nun vor, die Grube unter den Küchendielen mit Beton auszufüllen. Vorerst aber will er abwarten, bis der beunruhigende Eifer der Polizei nachgelassen hat und Gras über den Fall gewachsen ist. Um zu vermeiden, daß trotz seiner Vorkehrungen weiterer Verwesungsgeruch in die Küche dringt, spritzt er regelmäßig Essigsäure auf die Dielen und dichtet diese zusätzlich mit in Streifen geschnittenen Stücken eines Gartenschlauches ab.
Konrad Perschke zeigt in den kriminalpolizeilichen Vernehmungen ein ungewöhnlich wechselhaftes Verhalten. Durchgängig ist er zwar bereit, über sich und das tödliche Geschehen ehrlich Auskunft zu geben. Aber seine Gefühle und Stimmungen schwanken so stark, daß er von einem bisweilen auffällig gesteigerten Rededrang unversehens in ein
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