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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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ihn wegtrugen. Er sah die Maskierte noch winken, doch sie kam nicht mit. Sie stand zwischen den Kerzen wie ein blasser Engel und sah ihm nach.
    Die beiden Männer sprachen nichts. Sie trugen ihn zum Leichenwagen in der Tiefgarage und legten ihn in den Sarg. Er träumte, glaubte mit einer Kutsche zu fahren, die weite Strecke zum Paradies, durch Scharen von Engeln, die auf ihren Wolken saßen und ihn freundlich winkend begrüßten.
    Irgendwann verschwanden die Engel und kräftige Hände packten ihn. Er merkte, dass die Kapuzenmänner ihn aus dem Sarg zerrten und über ein Geländer stießen. Wo bin ich nur, fragte er sich. Er hatte das Gefühl zu fliegen, fühlte sich plötzlich ganz leicht, bis er hart auf der Wasseroberfläche aufschlug und unterging. Er strampelte, schlug mit den Armen um sich, kam mit dem Kopf wieder über die Oberfläche, alles drehte sich um ihn, er meinte Schreie zu hören, ging wieder unter, es war ihm kalt, er ruderte verzweifelt, bis er nicht mehr konnte, bis Sterne vor seinen Augen tanzten und sich alles in einem blaugrauen Nichts verlor.
    Â 
    Â»Können Sie mich hören, Herr Drucker?«
    Â»Habe ich es geschafft?«, fragte er leise.
    Â»Ja, Sie haben überlebt«, sagte die weiße Gestalt, die an seinem Bett stand. »Man hat Sie aus dem Main gezogen. Ein Liebespaar hat zufällig gesehen, wie Sie von der Willigisbrücke stürzten und den Rettungswagen alarmiert. Sie hatten 2,8 Promille im Blut.«
    Thomas Drucker verstand das alles nicht. Er wusste nicht, wo er war, glaubte im Himmel zu sein, allerdings sah diese weiße Gestalt nicht wie Petrus aus.
    Â»Wo bin ich?«, fragte er.
    Â»Im Klinikum, auf der Intensivstation. Sie können froh sein, dass Sie noch leben.«
    Er hörte die Worte wie aus weiter Ferne und schlief wieder ein. Irgendwann spürte er die Lippen von Sabine auf seiner Stirn.
    Â»Du musst leben, mein Liebling«, sagte sie. »Ich brauche dich, ich liebe dich sehr … «
    Es war schön, sie zu spüren. Jetzt bin ich wohl wirklich im Paradies angekommen, dachte er. Er gab sich alle Mühe und öffnete die Augen ein wenig, nur einen schmalen Spalt, doch es reichte, um sie zu sehen. Ihre blonden Haare fielen ihm ins Gesicht und ihre blauen Augen sahen ihn ängstlich an.
    Â»Wo bin ich?«, fragte er nochmals.
    Â»Im Klinikum, auf der Intensivstation. Es ist alles gut. Du wirst wieder gesund.«
    Er griff nach ihrer Hand und sie strahlte.
    Â»Mein Gott, Thomas, dass du lebst«, flüsterte sie leise. Sie streichelte ihm über die Wangen, über den Mund, über die Augen. Sie drückte vorsichtig seine Hand, in der eine Kanüle steckte. Sie strich ihm übers Haar und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Er spürte ihre Lippen und er wusste, dass er den Himmel auf Erden hatte. Ich habe es überlebt, begriff er. Ich kann sie noch lieben, kann noch leben, und der Tod muss noch warten.
    Â»Wie lange bin ich bereits hier?«
    Â»Drei Tage.«
    Â»Drei Tage? So lange schon?«
    Â»Ja, es stand sehr schlimm um dich. Hattest 2,8 Promille im Blut. Hätte tödlich enden können … Ich war jeden Tag bei dir, aber du hast nur geschlafen.«
    Thomas Drucker sah sich im Zimmer um und bemerkte, dass im Bett neben ihm ein alter Mann lag, von oben bis unten mit Schläuchen und Kabeln versehen. Er entdeckte den Monitor hinter seinem eigenen Bett, über den giftgrüne Kurven flimmerten, und begriff den Ernst der Lage.

4
    Â 
    Ilona war glücklich. Er hatte sich mit ihr verabredet. Sein dunkelblauer Mercedes 280 SLC rollte auf den Parkplatz vor dem Aschaffenburger Schloss. Er stieg aus und kam auf sie zu.
    Â»Hallo, Ilona«, sagte er und reichte ihr die Hand.
    Sie strahlte ihn an. Er war ihr Traum, groß, schlank, mit kräftigem schwarzem Haar. Seine dunkelbraunen Augen musterten sie kurz.
    Â»Komm, steig ein«, sagte er.
    Sie kannten sich erst wenige Tage. Er hatte sie in der Eisdiele angesprochen und sie zu einem Spaziergang durch den Schlosspark überredet. Sie wusste eigentlich gar nicht, warum sie spontan mit ihm mitgegangen war. Irgendwie konnte sie nicht anders. Er sah gut aus und schien gebildet, lachte viel und hatte einfach Besitz von ihr ergriffen.
    Â»Wo fahren wir hin?«
    Â»Lass dich überraschen«, sagte er, »wir machen eine Fahrt ins Blaue.«
    Ilona war einen Kopf kleiner als er, hatte ihr schwarzes Haar zu einem Bubikopf

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