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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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Satan repräsentiert Vergeltung, sagen sie. Aber wir haben ihnen etwas entgegenzusetzen. Wir besitzen die Liebe Gottes, die selbst vor ihnen nicht Halt machen wird.«
    Während er das sagte, war vom Hauptportal der Kirche ein klopfendes, scharrendes Geräusch zu hören. Der Priester schreckte zusammen, hielt einen kurzen Moment inne, fuhr dann aber mit den Fürbitten fort. Es folgte das heilige Abendmahl und ganz am Schluss der Segen für die Gemeinde.
    Â»â€¦ es segne euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.«
    Â»Amen«, antwortete die Gemeinde.
    Wieder war am Hauptportal dieses klopfende, scharrende Geräusch zu hören. Wieder hielt der Priester inne.
    Â»Der Satan, der Leibhaftige!«, krächzte ein altes Weib in der ersten Bankreihe. Hier und da war unterdrücktes Gelächter zu hören, dann wieder das alte Weib mit ihrem »Der Satan, der Leibhaftige!«
    Der Priester verbeugte sich vor der Marienstatue mit dem Kind und sagte noch sein »Gehet hin in Frieden«, da sprang die alte Frau auf, fuchtelte wild mit den Armen, schlug vor dem Altar ein Kreuz und humpelte mit ihrem Stock, so schnell sie gehen konnte, über den roten Teppich durch das Mittelschiff zurück zum Hauptportal der Kirche. Ihren Gehstock benutzte sie kaum. Sie war so erregt, dass sie darüber ihre Gehbehinderung zu vergessen schien.
    Â»Der Satan, der Leibhaftige«, rief sie immer wieder.
    Dem Priester blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. »Nun warten Sie doch, Frau Kissel«, rief er, »Da ist kein Satan, es gibt hier keinen Satan.« Doch die alte Frau ließ sich nicht zurückhalten.
    Inzwischen war auch Klaus Zimmermann auf den Beinen, hatte seine Kamera im Anschlag und machte Bilder von der Alten und dem hinterhereilenden Priester.
    Der Redakteur ist immer an der richtigen Stelle, dachte Rotfux, den das Ganze irgendwie belustigte. Die Alte öffnete die quietschenden Holztüren und stürzte nach draußen. Gleich darauf hörte er die Frau hysterisch kreischen.
    Â»Er war da, der Satan, der Leibhaftige, er war da … «
    Sofort kam die ganze Gemeinde in Bewegung. Die Leute erhoben sich, mehrere alte Frauen drängten ebenfalls zum Hauptportal, wo die Alte sich regelrecht in ihre Wahnvorstellung hineinsteigerte und in kurzen Abständen rief: »Der Satan, der Leibhaftige … «
    Als Rotfux sich endlich durch die Menge zum Hauptportal gekämpft hatte, traute er seinen Augen kaum. An die beiden hölzernen Flügel des Hauptportals war von außen mit roter Farbe oder womöglich Blut jeweils ein Pentagramm geschmiert, wie er es vom Mord im Pompejanum kannte. Davor kauerte die alte Frau, völlig außer sich, und rief fortwährend: »Der Satan war da, der Leibhaftige!«
    Zimmermann hatte die Gelegenheit sofort genutzt und Fotos geschossen. Bessere Bilder konnte der für seinen morgigen Bericht gar nicht bekommen, dachte Rotfux.
    Die alte Erna Kissel ließ sich schwer beruhigen. Der Priester konnte so viele Bibelverse bemühen wie er wollte, für sie stand fest, dass der Teufel persönlich für die Sauerei verantwortlich war. Wenigstens gelang es dem Priester, sie ins Innere der Kirche zu führen und auf einen Platz in den hinteren Bankreihen zu setzen.
    Â»Nun beruhigen Sie sich, Frau Kissel«, sagte er, »das waren irgendwelche verrückten Schmierer. Es gibt hier keinen Satan.«
    Â»Das sagen Sie, Hochwürden, aber ich habe ihn genau gehört!«
    Es schien aussichtslos. Tief saß diese Angst vor dem Teufel in der alten Frau. Wahrscheinlich hatte sie die Offenbarung gelesen, wusste von dem siebenköpfigen Tier mit zehn Hörnern, wusste von der Zahl 666, oder es war einfach der jahrhundertealte Glaube an den Satan als Vertreter des Bösen.
    Â»Nun gehen Sie erst mal nach Hause und erholen sich von diesem Schrecken«, versuchte der Priester sie zu beruhigen. »Morgen in der Bibelstunde besprechen wir das alles.«
    Â 
    Im rechten Seitenschiff, dort, wo die Wendeltreppe auf die prachtvolle Kanzel führte, stand Thomas Drucker mit Sabine Flieger und Maria Beletto und fast der gesamten Familie seiner Freundin.
    Der Priester ging zu ihm. »Entschuldigen Sie, Herr Drucker, das unerfreuliche Ende unserer Messe. Es tut mir leid, ich musste mich um die alte Frau Kissel kümmern. Sie ist völlig außer sich.«
    Thomas Drucker nickte verständnisvoll.

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