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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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trugen.
    Â»Ganz schön kalt am Abend«, sagte Rotfux zu Oberwiesner, der im dicken Wintermantel und in Fellstiefeln neben ihm stand und die Szene ebenfalls beobachtete.
    Â»Tja, erstaunlich, dass trotzdem so viele zum Gottesdienst kommen«, brummte Oberwiesner, schlug den Mantelkragen hoch und vergrub die Hände noch tiefer in den Manteltaschen. »Die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein.«
    Tatsächlich fuhr ein Auto nach dem andern ins Theater-Parkhaus und die Besucher strömten über den Stiftsplatz auf die Basilika zu.
    Â»Da kommt Zimmermann«, flüsterte Oberwiesner.
    Â»Der will wohl sein Werk begutachten«, brummte Rotfux.
    Als sich der Redakteur der Terrassenbrüstung näherte, ging Rotfux auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand. »Mächtig was los heute. Mit Ihrem Artikel haben Sie viele Leute hinter dem Ofen hervorgelockt.«
    Â»Kann man wohl sagen, ist ja auch wichtig. Aschaffenburg muss ein Zeichen setzen gegen diese satanischen Umtriebe.«
    Die alte Maria Beletto keuchte die Treppe empor. Sie ging am Stock und kämpfte sich Stufe für Stufe nach oben. Ihre kleine zierliche Figur steckte in einem viel zu großen Wintermantel, der fast bis zum Boden reichte und ihre kurzen Beine völlig verdeckte. Ein schwarzes Kopftuch umrahmte ihr bleiches, schmales Gesicht, das von tiefen Falten durchfurcht wurde. Sie lächelte, als sie Rotfux sah, und zeigte dabei mehrere Goldplomben, die in ihrem Mund leuchteten.
    Â»Geben Sie acht, Herr Kommissar«, krächzte sie, »damit nicht bald wieder etwas passiert.«
    Hinter ihr gingen Thomas Drucker und Sabine Flieger, unauffällig begleitet von zwei Beamten in Zivil, die Rotfux zu ihrer Bewachung abgestellt hatte. Fast sah es aus, als würden die beiden von Oskar Leitner und seinem Sohn Alexander verfolgt, jedenfalls hasteten diese knapp hinter ihnen die Treppen herauf, wobei Alexander Leitner versuchte, dicht hinter Sabine Flieger zu bleiben.
    Â»Das kann ja heiter werden«, kommentierte Rotfux die Szene. »Der ganze Familienclan versammelt sich.«
    Es folgte Bernhard Flieger, der diesmal von seiner Frau Nicole begleitet wurde. Man sah ihr an, dass sie etwa 20 Jahre jünger war als er. Alle wussten, dass sie seine zweite Frau war, die ursprünglich als Sekretärin bei ihm gearbeitet hatte.
    Sogar der alte Johann Flieger, der Gründer von Flieger-Moden, ließ es sich nicht nehmen, zum Gottesdienst zu kommen. Eine schwere schwarze Limousine brachte ihn auf den Stiftsplatz, dort stieg er direkt neben der Treppe aus, die zur Stiftsbasilika nach oben führte. Für seine fast 90 Jahre sah er beeindruckend aus. Sein weißes Haar war noch voll, das Gesicht sah gebräunt aus und vermittelte durch die markante Nase einen dynamischen Eindruck. Ein auf Taille geschnittener Wintermantel betonte seine perfekte Figur.
    Â»Ich glaube wir sollten uns langsam einen Platz suchen«, flüsterte Rotfux zu Oberwiesner. »Ich hoffe, wir müssen nicht stehen.«
    Doch da hatte er sich getäuscht. Die Kirche war besetzt bis auf den letzten Platz und einige standen zwischen den Pfeilern des Mittelschiffes, um überhaupt etwas sehen zu können. Die Basilika wirkte so gut gefüllt noch beeindruckender als sonst. Die Grabplatten, die Andachtsbilder an Wänden und Pfeilern, die Reliefs der Verstorbenen schienen sich mit den Lebenden zu mischen und Ilona Drucker ihr Mitgefühl auszusprechen.
    Â»Wir gehen weiter nach vorne«, flüsterte Rotfux und schob sich mit Oberwiesner durch das linke Seitenschiff. Unter dem vordersten Säulenbogen blieben sie stehen. Die Glocken begannen zu läuten, die Orgel spielte und der Priester zog mit seinen Ministranten in die Kirche ein. Nach Begrüßung, Schuldbekenntnis, verschiedenen Gesängen und Lesungen folgte die Predigt, die ganz im Zeichen der Erinnerung an die Verstorbene stand.
    Â»Fassungslos stehen wir vor dem Tod unserer lieben Schwester Ilona Drucker. Ilona Drucker hat unendliches Leid erfahren. Aber es war nicht der Satan, der sie geschändet hat. Es waren Menschen, es waren Bestien, die sie im Pompejanum ermordet haben.« Man spürte die innere Erregung des Priesters, seine Stimme vibrierte, er gestikulierte mit den Armen, als ob er höchstpersönlich den Satan aus der Kirche vertreiben wollte.
    Â»Manche gehen so weit, dass sie den Satan als Gegengott anbeten. Sie verkünden satanische Gebote und Regeln.

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