Blutstern
»ich komme manchmal gar nicht mehr mit.«
Obwohl sie wusste, dass er log, wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Er klang so vertraut. Hätte sie die neue Blonde nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte sie ihm womöglich geglaubt.
»Du musst doch mal abends Zeit haben, oder am Wochenende«, versuchte sie ihn in die Enge zu treiben.
»Hätte ich gern, aber im Augenblick geht es einfach nicht«, schwindelte er.
Sie merkte, wie sich alles in ihr zusammenzog. Sie fühlte, dass ihr das Blut in den Kopf stieg.
»Für diese blonde Tussi, die du auf der Jacht gebumst hast, da hast du allerdings Zeit, mein Täubchen«, sagte sie ganz leise.
Er sah sie erstaunt an. »Du spionierst mir nach ⦠«
»Es war ja nicht zu übersehen. Das Boot hat gewackelt wie der Teufel.«
»Und um mir das zu sagen, kommst du her?«
»Es bleibt mir nichts anderes übrig. Du hintergehst mich brutal. War wohl wieder Satansfest ⦠«
Er sah sie ratlos an und schien nach Worten zu suchen. »Es tut mir leid, Ilona«, stammelte er. »Ich habe mich in Petra verliebt. Ich wollte es dir sagen, aber ich kam noch nicht dazu, hatte Angst, es war mir peinlich. Bitte Ilona, es tut mir leid.« Er griff in seine Hosentasche, holte ein dickes Geldscheinbündel hervor und reichte es ihr. »Hier, als kleine Entschädigung, es tut mir wirklich leid.«
Sie schlug ihm das Bündel aus der Hand. »Sag mal, spinnst du? Du glaubst wohl, du kannst dir die Satansnächte so einfach kaufen. Wir haben Blutsbrüderschaft geschlossen. Ich hoffe, dass dich der Satan höchstpersönlich holt.«
Er war sprachlos und sagte gar nichts mehr. Ilona wusste nicht, was in sie gefahren war. Sie zitterte innerlich. Sie konnte kein Wort über ihre Schwangerschaft hervorbringen. Sie spuckte vor ihm auf den Boden, machte auf dem Absatz kehrt und ging.
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Den Nachmittag verbrachte sie im Bett. In der Firma hatte sie sich krank gemeldet. Irgendwie stimmte das ja auch. Erst abends, als es dunkel war, wagte sie sich wieder auf die StraÃe. Die Unruhe trieb sie hinaus. Sie konnte nicht still daheim sitzen. Der Mond warf sein Licht auf das Pflaster. Sie ging über den RoÃmarkt, bog rechts Richtung Park Schöntal ab, durch den Torbogen unter der ehemaligen Stadtmauer. Ein Liebespaar saà auf der Bank gegenüber der Ruine der Kirche zum Heiligen Grabe. Nimm dich in Acht, dachte Ilona, nicht dass es dir geht wie mir ⦠Nimm dich in Acht vor seiner Liebe, prüfe, ob sie echt ist oder so schnell vergeht wie bei mir. Sie wandte sich nach links und streifte an der alten Stadtmauer entlang. Der Weg war dunkel. Links stieg die Stadtmauer unüberwindlich empor, rechts warfen mächtige Bäume ihre dunklen Schatten auf Mauer und Weg. Vielleicht sollte ich besser umkehren, dachte sie. Bald stieg der Gespensterturm vor ihr auf, ein Ãberbleibsel der Aschaffenburger Stadtbefestigung des Mittelalters. Seine leeren Fensterhöhlen im obersten Geschoss glotzten sie drohend an. Ilona fürchtete sich. Sie kehrte zur Kirche zum Heiligen Grabe zurück, sah das alte Gemäuer im Mondlicht leuchten, auf seiner Insel im Teich. Wenn nur sie selbst im Grabe liegen könnte, dachte sie. Sie ging ein Stück am Teich entlang, das Liebespaar war inzwischen verschwunden, ganz still lag der Park da. Der Turm der Sandkirche war durch die Wipfel der Bäume zu sehen. Kirchen gab es hier genug, dachte sie, aber was half das? Sie war allein, sie war verlassen, sie war beladen mit ihrem Problem, das ihr fast die Luft abschnürte. Als sie gerade gehen wollte, zurück in ihre Wohnung, zurück in ihr einsames Bett, kam eine Frau die Treppen bei der Sandkirche herauf, hinein in den Park, genau auf sie zu. Sie war dunkel gekleidet, trug einen langen Rock und ein Kopftuch. Ihr Alter war in der Dunkelheit schlecht zu schätzen, so um die 50 mochte sie sein.
»Noch ganz allein im Park, braves Mädchen?«, sprach sie Ilona an.
Ilona fiel auf, dass sie âºbraves Mädchenâ¹ gesagt hatte. Bin kein braves Mädchen, dachte sie. War ein böses Mädchen und jetzt bin ich schwanger, das habe ich davon.
»Konnte nicht allein sein, war so unruhig«, antwortete Ilona.
»Hier bist du auch allein«, lachte die Frau und Ilona sah einige Goldplomben. Eine dieser Südländerinnen, die ihr Gold im Mund tragen, dachte sie.
»Schon, aber hier ist es anders als zu
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