Blutstrafe - Thriller
Zeitung oder ihr Taschenbuch konzentriert. Richtig so, lass dich ja auf nichts ein. Er drehte sich zum Fenster, wo die Lichter im Tunnel wie rasende Sternschnuppen vorbeiblitzten.
Unglaublich – er war wieder frei. Unaufhaltbar! Die Schicksalsgöttin höchstpersönlich führte ihn. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Im selben Moment, in dem er dies dachte, wurde die Tür am Ende des Waggons mit lautem Rattern geöffnet. Zwei U-Bahn-Polizisten traten keuchend ein. Ein schwerer, älterer Weißer und eine junge Schwarze, die sicher noch in der Ausbildung war. Beide hielten bisher ihre Hände nur am Knauf ihrer Glocks, die noch in den Halftern steckten.
» Keine Bewegung!«, rief der alte Bulle, der immer noch nicht seine Waffe zog. Worauf wartete er? Auf eine in Stein gemeißelte Einladung?
Der Lehrer brauchte weniger als eine Sekunde, um die Kaliber .22 mit der rechten und gleichzeitig die Kaliber .45 mit der linken Hand aus seinem Hosenbund zu ziehen.
Jetzt waren die Fahrgäste mit ihrer Aufmerksamkeit ganz bei ihm. Sie rissen die Augen auf, schrien, sanken tief in ihre Sitze oder ließen sich auf den Boden fallen.
» Hört mir gut zu«, rief der Lehrer quer durch den Waggon. » Ich mag Polizisten, das schwöre ich. Ich habe nichts gegen euch, und ich will euch nichts tun. Lasst mich gehen. Mehr will ich nicht.«
Der Zug fuhr in die Haltestelle 51st Street und Lexington Avenue. Vielleicht hatte der Fahrer schließlich bemerkt, dass etwas nicht stimmte, weil der Zug plötzlich ruckte. Aus dem Gleichgewicht gebracht, reagierten die beiden Polizisten, indem sie zu ihren Waffen griffen.
» Ich habe nein gesagt, verdammt!«, brüllte der Lehrer. Mit der .45 in seiner Linken schoss er dem Polizisten ins Knie, dann in den Schritt. Gleichzeitig entlud er die letzten vier Kugeln seiner .22 in der rechten Hand in den Bereich direkt über den Gürtel der Polizistin, wo die kugelsichere Weste normalerweise einen Spalt frei ließ.
Der laute Knall der ungedämpften Kaliber .45 dröhnte in seinen Ohren, als wäre ein Packen Cherrybombs in seinem Kopf explodiert. Doch auch ein Schwall von Endorphinen durchflutete seinen Körper. Und was für ein Schwall! Etwas Derartiges gab es kein zweites Mal auf der Welt.
Zitternd blieb der Zug stehen, die Türen öffneten sich automatisch. Ein Geschäftsmann wollte gerade den Waggon betreten, blieb aber abrupt stehen, als er das Chaos bemerkte, und eilte davon.
Der Lehrer wollte dasselbe tun, als sich hinter ihm ein Schuss löste und ein grell pfeifendes Geräusch an seinem linken Ohr vorbeipeitschte. Er wirbelte herum und riss ungläubig die Augen auf.
Es war die Polizistin. Sie lag auf dem Boden, ihr Bauch durchlöchert wie ein Schweizer Käse, zielte aber trotzdem mit wackelnder Pistole auf ihn. Welch ein Mut, obwohl sie unter Beschuss stand!
» Das ist großartig«, sagte er ernst. » Du solltest eine Medaille bekommen. Es tut mir wirklich leid, dass ich das hier tun muss.«
Er hob seine Kaliber .45 und zielte auf ihr erschrockenes Gesicht.
» Das tut es mir wirklich«, wiederholte er und betätigte den Abzug.
33
Ich konnte es nicht glauben! Was ging auf dieser Welt nur vor sich? Am Ende der Besprechung der Sondereinheit erfuhren wir, dass es nicht nur eine, nein, sondern zwei weitere Schießereien im Zentrum gegeben hatte. Vorberichten zufolge waren ein Zivilist und zwei U-Bahn-Polizisten in der Gegend des Rockefeller Center von demselben Täter erschossen worden.
Unserem Täter. Mittlerweile bestanden kaum noch Zweifel daran.
Selbst mit eingeschalteter Sirene brauchte ich fast vierzig Minuten, um mich von der Zentrale zum hektischen Tatort an der 51st Street Ecke Lexington Avenue zu quälen.
Der Hubschrauber, der über dem Citicorp-Gebäude schwebte, war weiß Gott nicht zu übersehen. Das Wummern seiner Rotorblätter schien mit meinem Herzschlag Schritt zu halten, als ich mich durch die Menge drängte, die sich rund um die völlig abgeriegelte 51st Street herumtrieb.
Ein Sergeant führte mich unter dem gelben Absperrband hindurch zur U-Bahn-Treppe. Sein todernstes Gesicht sagte mir etwas, das ich nicht wissen wollte. Aus allen Richtungen waren kreischende Funkgeräte und Sirenen zu hören, als ich den heißen, engen Treppenschacht betrat.
Ein Zug war noch halb im Tunnel angehalten worden, und vielleicht zwei Dutzend Polizisten standen auf dem Bahnsteig an einem der ersten Waggons. Durch das Fenster sah ich leere Patronenhülsen auf dem blutverschmierten Boden
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