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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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oben am Hang stand und der andere ganz unten. Der untere schenkte sich gerade Kaffee aus einer Thermosflasche ein. Ben sah kurz zu mir herüber, ehe er sich mit resignierter Miene wieder seiner Arbeit widmete.
    Soweit ich es beurteilen konnte, kamen sie für heute langsam zum Schluss. Einige Fähnchen markierten Stellen am Hang, die bereits aufgegraben worden waren – die Leichenteile waren mittlerweile unterwegs zum Coroner, und das meiste, was sich jetzt noch abspielte, wirkte wie das Ende einer ersten Suche.
    Vince begrüßte mich ausgesprochen freundlich. Ich verbarg mein Erstaunen. Vince und mein Mann arbeiten beide in der Mordkommission und sind befreundet, doch Vince hält sich in meiner Gegenwart normalerweise ziemlich bedeckt. Seine Herzlichkeit sollte sicher nicht bedeuten, dass ich plötzlich seine beste Freundin war. Vermutlich brauchte die Polizei in diesem Fall die Hilfe der Öffentlichkeit.
    »Ist Ihr Partner nicht da?«, fragte ich ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Der ist im Revier und fängt schon mal mit dem Papierkram an.«
    »Dann haben Sie also den Kürzeren gezogen.«
    Er lachte und meinte, dann gelte für mich wohl das Gleiche. Ich erklärte ihm, dass ich nur gekommen sei, um ein paar Notizen für Mark Baker zu machen, der dann den Bericht verfassen würde. »Wahrscheinlich wird er Sie heute noch anrufen.« Das war Vince ganz recht, und er begann mir in groben Zügen zu schildern, was sich vor meiner Ankunft ereignet hatte.
    Zwei Arbeiter hatten begonnen, einen Joggingpfad durch den Wald anzulegen, und dabei entdeckt, dass jemand den Hang als Müllkippe benutzt hatte – sieben schlammverkrustete grüne Plastikmülltüten lagen darauf verstreut. Beim Näherkommen fiel ihnen starker Verwesungsgeruch auf. Eine der Tüten war aufgerissen, und ein Teil ihres Inhalts war auf den feuchten Boden gefallen. Entsetzt sahen die Arbeiter unter etwas Laub eine verweste menschliche Hand liegen. Die Hand hing nicht an einem Arm.
    »Der eine meinte, er hätte fast gekotzt«, berichtete Vince. »Ich bin froh, dass er es nicht tatsächlich getan hat, denn in alles andere auf diesem verdammten Abhang bin ich schon hineingefallen.«
    Zum Glück hatten die Arbeiter sofort die Polizei gerufen, ohne die Tüten zu berühren oder eingehender zu untersuchen. Die Weiterbildungen durch den neuen Chef des kriminaltechnischen Labors des LPPD hatten sich überdies ausgezahlt – auch der erste Beamte am Fundort unternahm keinerlei Erkundungen. Das hieß, dass die Suche nach Leichenteilen und Beweisen auf nahezu unangetastetem Gelände vor sich gehen konnte.
    Der Coroner war noch mit dem Fall draußen bei den Ölbohrinseln beschäftigt, doch wahrscheinlich wäre Ben ohnehin gerufen worden. Sämtliche Tüten enthielten Leichenteile. Ben vermutete, dass sie von einem erwachsenen männlichen Opfer stammten.
    »Das ist aber nicht zur Veröffentlichung bestimmt«, sagte Ben, als er bei uns angelangt war. »Ich habe es noch nicht erhärtet.«
    »Aber zumindest ist es ein erwachsener Mann?«, fragte ich.
    Ben zögerte, doch Vince antwortete an seiner statt. »Ja.«
    »Wir haben seinen Kopf gefunden«, fuhr Vince fort, was ihm ein Stirnrunzeln von Ben einbrachte. »Wir hoffen, ein Gerichtszeichner kann uns anhand dessen eine Zeichnung anfertigen. Glauben Sie, die Zeitung würde sie bringen?«
    »Warum nicht?«, erwiderte ich. Immer eine ungefährliche Antwort.
    »Das ist vielleicht gar nicht nötig«, sagte Ben in einem Ton, der mir verriet, dass ihm langsam die Geduld ausging. »Eventuell passt das Zahnschema ja zu jemandem, der als vermisst gemeldet ist.«
    »Habt ihr irgendwelche anderen Informationen, die ihn identifizieren könnten? Altersgruppe? Größe? Gewicht?«
    »Das muss alles warten«, erklärte Ben.
    »Was habt ihr sonst noch hier oben gefunden?«
    »Nichts, was ich dir verraten werde.«
    »Irgendwelche Hinweise auf den Mörder?«
    »Wer sagt, dass es einen Mörder gibt?«
    »Dann hat sich der Typ wohl selbst kleingehackt und in Tüten gestopft, ehe er hier herausgerollt ist und sich eingegraben hat?«
    »Es könnte auch ein natürlicher Tod gewesen sein. Tote sind schon auf schlimmere Weise entsorgt worden.«
    Vince, der wohl fürchtete, den guten Draht zur Zeitung zu verlieren, schaltete sich ins Gespräch ein. »Ben macht nur Witze. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass es so ist, wie er gesagt hat, aber wir behandeln die Sache als Mordfall. Allerdings ist es noch zu früh, um über Verdächtige zu sprechen.

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