Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
beendete das Gespräch. Ob ihre Ehe sie zur Alkoholikerin gemacht hatte oder ob ihr Alkoholismus zumindest teilweise zum Ende der Ehe beigetragen hatte?
Nach Gesprächen mit ein paar weiteren besorgten Elternteilen war Blake Ives in der Leitung. Mr. Ives war ein Schreihals. Er wollte seinem Ärger darüber Luft machen, dass wir in seinen Augen »Kidnapper glorifiziert« hätten, womit er das Paar in Mexiko meinte. Darauf hinzuweisen, dass ich diesen Artikel nicht geschrieben hatte, kam mir feige vor, und so lauschte ich seiner Schimpftirade. Es machte mir keinen gro ßen Spaß, aber irgendwie bewunderte ich ihn dafür, dass er acht Jahre, nachdem seine Exfrau und deren neuer Freund ihm seine Tochter entzogen hatten, noch ihretwegen in Rage geriet. Nach acht Jahren hat zwar kein Mensch sein verschlepptes Kind vergessen, aber die meisten haben resigniert.
Also fragte ich nach Einzelheiten, und dabei stellte sich heraus, dass ich seine Exfrau kannte, da sie kurz beim Express gearbeitet hatte. Auf einmal wurde mir sein Geschrei begreiflich. Ich hatte Bonnie Creci – denn so hieß sie vor ihrer Hochzeit mit dem unglücklichen Mr. Ives – nie leiden können.
Bonnie war mir als intelligent und intrigant zugleich in Erinnerung geblieben, eine jener Frauen, die ihre angebliche Besorgtheit wie einen kleinen, vergifteten Dolch einsetzen. Gelegentlich tuschelte sie mit den Kollegen, und wenn dann dein Name dem Satz »Ich mache mir Sorgen um …« folgte, war das, was sich anschloss, keine aufrichtige Anteilnahme, sondern etwas, womit sie deinen Ruf ruinieren wollte. Manche Leute hielten sie für blasiert, aber in meinen Augen fehlte ihr dafür die grundlegende Selbstsicherheit.
Der Hauptgrund für meine Abneigung gegen sie war jedoch gewesen, dass sie sich die allergrößte Mühe gab, Lydia Ames Ärger zu machen, die damals stellvertretende Chefredakteurin der Lokalredaktion war. Die meisten von uns vermuteten, dass Bonnie es auf Lydias Job abgesehen hatte. Lydia und ich sind seit der Grundschule befreundet, also schafft sich jeder, der sich mit ihr anlegt, auf einen Schlag zwei Feindinnen. Bonnie erlebte, wie schnell die Temperatur in der Redaktion fallen konnte, und so kam sie letztlich zu dem Schluss, dass es ihr beim Express ein bisschen zu frostig war.
»Sie arbeitet seit zehn Jahren nicht mehr hier«, sagte ich zu Ives.
»Sie hat überhaupt nicht mehr als Reporterin gearbeitet, seit sie beim Express aufgehört hat«, erklärte er.
»Oh nein«, erwiderte ich, »damit hat sie schon lange zuvor aufgehört.«
Er lachte, und dann hörte er auf zu schreien.
Am Ende des Gesprächs war seine Lautstärke zu einem Flüstern abgesunken, das noch schwerer zu verkraften war als das Gebrüll – und trotzdem konnte ich ihm nicht helfen.
Im Grunde konnte ich keinem von ihnen helfen. Ich wies sie auf Hilfsangebote hin, die sie bereits kannten, und erzählte letztlich allen das, was sie bereits von den anderen Stellen zu hören bekommen hatten, an die sie sich hilfesuchend gewandt hatten. Ich notierte mir Namen und Nummern, aber wahrscheinlich glaubte keiner von ihnen daran, dass ich mich je wieder melden würde.
Gegen zwei Uhr nachmittags kam John Walters in einem außergewöhnlichen Gnadenbeweis an meinen Schreibtisch geschlendert. »Ich glaube, du musst los und ein paar Recherchen machen.«
Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich danach sehnte, das Haus zu verlassen, doch er durchschaute mich und musste lachten.
»Mark Baker ist mit dieser Geschichte über die Ölbohrinsel beschäftigt«, fuhr er fort. »Du weißt Bescheid?«
»Ja, mehr oder weniger.« Die Ölbohrinseln lagen nicht weit vor der Küste von Las Piernas. Bei einer von ihnen waren an diesem Morgen fünf Leichen angespült worden, und deshalb war Mark, unser Kriminalreporter, jetzt dort, um herauszufinden, was passiert war.
»Jugendliche, die im Sturm mit einem Boot unterwegs waren«, erklärte John, »aber sie sind von hier, deshalb musste ich schon andere Leute einsetzen, die an der Reportage mitarbeiten können, und der Rest hat auch alle Hände voll zu tun. Lydia hat in der Lokalredaktion gerade einen heißen Tipp bekommen. Jemand muss zum alten Sheffield-Anwesen rausfahren. Meinst du, du könntest für Mark ein paar Informationen besorgen, ohne selbst zu tief einzusteigen?«
»Ist dort ein Verbrechen geschehen?«, fragte ich. Da ich mit einem Ermittler der Mordkommission des LPPD verheiratet bin, lässt mich die Zeitung nicht
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