Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
Agility-Turniere geht, kann ich dir wahrscheinlich nicht groß weiterhelfen.«
»Aber genau darum geht es. Kennst du eine Hundetrainerin namens Sheila Dolson?«
»Ich glaube, du hast den Namen falsch verstanden.«
»Nein, das glaube ich nicht. Sie hat einen deutschen Schäferhund namens Altair.«
»Jetzt weiß ich aber sicher, dass du den Namen falsch verstanden hast. Sie hieß Chula – C-H-U-L-A. Nicht Sheila.«
Der Namensunterschied überraschte mich, doch das war es nicht, was mich stutzig machte. Erstaunlich, wie ein kleines Verb einem Schauer über den Rücken jagen kann. »Hieß?«
»Sie ist tot – sie wurde Anfang des Jahres ermordet. Eine traurige Geschichte.«
Ich schwieg und versuchte, aus alldem schlau zu werden.
»Irene? Bist du noch dran?«
»Ja. Tut mir leid. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Hat sie in Chicago gelebt? Hat die Trib über den Mord berichtet?«
»Auf beide Fragen ja. Mehrmals. Ich glaube, wir haben sogar einen Nachruf auf sie gebracht. Aber ich kannte sie eigentlich gar nicht. Sie hatte mit Such- und Rettungshunden zu tun, also hing auch ihre Arbeit im Agility-Bereich damit zusammen, aber es heißt, dass sie und ihr Hund ein tolles Team waren.«
»Weißt du, was aus dem Hund geworden ist?«
»Da kann ich dir nicht weiterhelfen. Ich hab mal gehört, dass irgendeine Verwandte ihn nehmen wollte, und es ging das Gerücht, dass die Rettungshunde-Community nicht gerade begeistert davon war. Sie fanden, er sollte an jemanden gehen, der mit ihm zu arbeiten versteht.«
An diesem Punkt wurde sie wach genug, um mich zu fragen, warum ich das wissen wollte, doch ich antwortete nur, dass mir vermutlich die Verwandte mit dem Hund begegnet war und ich gern mehr über die Sache gewusst hätte. Melna wirkte skeptisch, ließ sich aber mit dem Versprechen abspeisen, dass ich sie anrufen oder ihr mailen würde, wenn sich irgendetwas im Zusammenhang mit Chicago ergab. Danach plauderten wir noch ein bisschen über dies und das, doch da sie noch krank war und ich unter Zeitdruck stand, blieb es ein kurzes Vergnügen.
Der Name Chula Dolson ergab vierzig Treffer, vorwiegend bei Zeitungen aus Illinois und Fernsehsendern. Ich nahm mir den Nachruf aus der Tribune zum Ausgangspunkt.
Er stammte vom 18. Januar. Zu dem Artikel gehörte ein Foto von einer Frau, die einen Arm um Altair gelegt hatte. Der Hund auf dem Bild sah genauso aus wie der, der mir am Morgen begegnet war. Doch die Frau neben ihm war mindestens fünfundzwanzig Jahre älter als Sheila Dolson.
Chula Dolson hatte das Gesicht eines Preisboxers, der nicht viele Runden gewonnen hat. Vielleicht war sie einmal attraktiv gewesen, ehe ihre Nase gebrochen und schief wieder verheilt war und bevor ihr jemand zu einem Strang Narbengewebe verholfen hatte, der diagonal über ihre linke Gesichtshälfte verlief und das eine Augenlid verzog.
Mit einundfünfzig Jahren war sie gestorben. Sie war die Gründerin der gemeinnützigen Organisation Forensic Search Associates of Illinois, Inc., und dem Bericht zufolge eine beliebte Ausbilderin gewesen, die ihr Fachwissen mit Hunderten anderer Hundeführer geteilt hatte.
Sie hatte ein von ihr selbst so bezeichnetes »interdisziplinäres Suchteam« aufgebaut, zu dem Hunde, forensische Anthropologen, ein Hubschrauberpilot, ein Wildbiologe und eine Reihe anderer Experten gehörten. Firmen hatten sich von ihr überreden lassen, Ausrüstung, Reisekosten und andere Ausgaben des Teams zu sponsern. Die Organisation half verschiedenen Strafverfolgungsbehörden im ganzen Staat und hatte Auszeichnungen von einer Reihe ziviler Organisationen erhalten. In dem Bericht hieß es, dass Chula Dolson es stets vermieden habe, sich in den Mittelpunkt zu rücken, sondern immer dafür gesorgt habe, dass die Sponsoren der Gruppe als Gegenleistung für ihre Großzügigkeit im Rampenlicht standen.
Ich hielt inne und las den letzten Satz noch einmal. Dieser Satz allein hätte mir genügt, um sicher zu sein, dass es hier um eine andere Frau ging, selbst wenn Foto und Alter im Nachruf auf Chula Dolson gefehlt hätten.
Der Nachruf enthielt auch eine Reihe von Würdigungen ihrer Arbeit durch Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden, die berichteten, wie Chula sie durch ihren Einsatz mit Altair unterstützt hatte.
Dazu kamen Würdigungen durch Gruppen, die gegen häusliche Gewalt kämpften und denen Chula ebenfalls auf ihre stille Art Hilfe zukommen ließ – vor allem, indem sie in Frauenhäuser ging und mit den Frauen
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