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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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gekommen, dass Sheila eine Lügnerin war. Vielleicht hatte sie jemanden um Geld betrogen oder auf schlimmere Weise hereingelegt. »Okay, dann fangen wir mal andersherum an. Wer waren ihre Freunde?«
    »Sie hatte nicht besonders viele. Ich glaube, alle ihre Freunde waren aus der Hundestaffel. Ich habe sie nie über andere sprechen hören.« Anna runzelte die Stirn. »Rückblickend betrachtet, haben wir sie quasi adoptiert, und sie machte den Eindruck, als wäre sie ganz schön abhängig von uns, wenn du weißt, was ich meine. Sie war überhaupt nicht gern allein. Ständig hat sie sich von Leuten aus der Gruppe bei diesem und jenem helfen lassen. Eines unserer Mitglieder hat ihr praktisch umsonst das Haus überlassen. Andere haben sie zum Abendessen eingeladen.«
    »Die Leute wurden ihre Wohltäter.«
    Sie senkte den Blick. »Ja«, sagte sie. »Und trotz allem, was ich jetzt weiß, wird sie mir fehlen.« Sie holte abgehackt Atem. »Ich … ich glaube nicht, dass ich es schon richtig begriffen habe. Ich kann einfach nicht glauben, dass ihr das passiert ist, dass sie tot ist.«
    Ich sagte nichts.
    »Sie war kein völlig hoffnungsloser Fall, weißt du. Ich glaube, sie hat experimentiert und versucht, ihren Weg zu finden. Wenn sie ihr Leben hätte weiterleben können, hätte sie sich vielleicht verändert und wäre ein besserer Mensch geworden.«
    »Kann sein«, sagte ich, obwohl ich es massiv bezweifelte. Andererseits fand ich aber auch, dass niemand das Recht hatte, Sheila Dolsons Experiment mit einer Pistole zu beenden.
    »Ich begreife es nicht«, fuhr Anna fort, »denn sie hatte durchaus Fähigkeiten, und sie hat Altair geliebt, und ich werde niemals glauben, dass jemand, der so gut zu einem Hund war, eine komplette Luftnummer war!«
    Ich verkniff mir Beispiele aus der Geschichte. Was hätte ich schon sagen sollen? »Es war ein Glück für sie, dass sie eine Freundin wie dich hatte.« Na also, das war doch ehrlich.
    Darüber brütete sie eine Zeitlang schweigend. Ich wollte gerade irgendeine Phrase darüber loslassen, dass ich ins Büro zurückmüsse, als sie sagte: »Ich habe gehört, dass du Altair hast.«
    »Ja«, antwortete ich argwöhnisch.
    »Ich würde ihn gern nehmen.«
    »Du und eine Reihe anderer Hundeführer, soweit ich weiß.«
    »Hat man dich angesprochen?«
    »Nein, ich habe nur Gerüchte aus Illinois gehört.«
    Sie fuhr erneut mit dem Finger am Rand ihrer Untertasse entlang. »Hat Ben gefragt?«
    »Nicht dass es dich etwas anginge, aber – nein.«
    Sie nickte einmal, als hätte sie soeben eine Wette mit sich selbst gewonnen. »Ich würde ihn gern versorgen, bis alles geregelt ist. Und mit ihm arbeiten.«
    »Und eine enge Beziehung zu ihm aufbauen?«
    »Er kennt mich. Ich habe schon mit ihm gearbeitet.«
    »Tut mir leid, Anna. Kommt nicht infrage.«
    »Warum nicht?« Ich hörte einen Hauch mühsam unterdrückter Wut heraus.
    »Es ist nicht meine Entscheidung.«
    Sie verzog das Gesicht.
    »Ich habe versprochen, mich um ihn zu kümmern, bis man ihre Verwandten oder Erben ausfindig gemacht hat. Weißt du, ob Sheila ein Testament oder einen Anwalt hatte?«
    »Nein. Nein, weiß ich nicht.«
    Kurz danach trennten sich unsere Wege. Ich wusste, dass sie beim Wrigley Building geparkt hatte, doch sie kehrte nicht mit mir zur Zeitung zurück. Sie sagte, sie wolle einen kleinen Schaufensterbummel machen, wenn sie schon in der Innenstadt sei.
    Mir war es ganz recht, den Rückweg allein zu bestreiten. Und es war mir auch recht, dass Altair in absehbarer Zeit nicht an ihrer Seite gehen würde. Es war durchaus nachvollziehbar, dass eine Spitzenausbilderin einen Hund haben wollte, der so gute Leistungen brachte, einen Hund, den sie so gut kannte. Doch ihre Gereiztheit angesichts meiner Ablehnung hatte mich verblüfft und mir eine Seite ihrer Persönlichkeit gezeigt, die ich bisher noch nicht wahrgenommen hatte.
    Im Grunde kannte ich sie wahrscheinlich nicht so gut, wie sie Altair kannte. Meine bisherigen Kontakte zu ihr hatten sich allesamt auf Gelegenheiten beschränkt, in denen Ben dabei war, und oft waren auch noch die Hunde mit von der Partie. Ich hatte Anna immer als umgänglich empfunden, doch ich konnte nicht behaupten, dass sie sich nennenswert geöffnet hätte. Und ihre Freundschaft mit Sheila war mir ein völliges Rätsel.
    Ich seufzte und ermahnte mich selbst, nicht weiter darüber nachzudenken. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde ich sie nie wiedersehen.

24. KAPITEL
     
    DIENSTAG, 25. APRIL, 13:35 UHR

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