Bluttaufe: Thriller
losfahren und bleiben, wo es schön war.
Zusammen mit Hensen schritt er die Reihen der immer gleichen Wohnwagen ab.
»Kafka«, sagte Hensen. »Würde Kafka heute leben, er hätte nicht über das Schloss geschrieben, sondern über diesen Wohnwagenalptraum. In diesem Labyrinth kann
man sich glatt verlaufen, und alle sehen vollkommen gleich aus.«
»Hinter der Werkstatt habe ich ein paar Luxusmodelle gesehen«, sagte Tannen.
Nach einer knappen Stunde kehrten sie zum Verwaltungsgebäude zurück.
Tannen betrat das Büro und verkündete knapp, sie seien fertig.
»Schön«, sagte der Angestellte, der vor sich einen Stoß Fahrzeugbriefe gestapelt hatte. Mehr aus den Augenwinkeln bemerkte Tannen eine mit Bleistift geschriebene Signatur auf dem oberen weißen Rand.
»Was ist das?«, fragte er.
»Nach was sieht’s denn aus? D 48.«
»Und das bedeutet?«
»Wir sind hier ein ordentlicher Laden. Die Fahrzeugscheine müssen schließlich zur Fahrzeugnummer passen, da darf es keine Verwechslung geben. Die Nummer sorgt dafür, dass wir unsere Kinderchen auch wiederfinden.«
»Und wo finde ich D 48?«
»Reihe D, Platz 48. Das ist bei uns wie ein großes Schachbrett organisiert.«
Knapp zwei Stunden später trafen die Mitglieder der Hamburger Sonderkommission ein. Die Bremer Kollegen hatten sich bereits einen groben Überblick über den Tatort verschafft. Kaja Winterstein streifte sich einen weißen Overall über und griff sich zwei Plastiküberzüge für die Schuhe.
»Da hinten«, sagte Hensen und deutete auf den Wohnwagen,
aus dessen Fenster das Blitzen eines Fotoapparates drang.
Mangold sah durch das Fenster des Wohnwagens. Wegen der Enge wollte er zunächst die Forensiker ihre Arbeit erledigen lassen. Umsehen konnten sie sich auch später noch.
Er ging auf Hensen und Kaja Winterstein zu und sagte: »Und?«
»Er konnte nicht davon ausgehen, dass wir die Leiche so schnell finden«, sagte Hensen. »Gut möglich, dass er uns Schritt für Schritt weitere Hinweise gegeben hätte. Oder aber die Leiche wäre gefunden worden und er hätte uns oder der Presse mitgeteilt, für wie dumm er uns hält.«
»Sind wir im Vorteil?«, fragte Mangold.
»Könnte sein«, sagte Hensen.
»Wen hat er diesmal kopiert?«
»Nicht ganz eindeutig«, sagte Kaja Winterstein. »Auf dem Tisch steht ein Modellbauteil.«
»Eine nachgebildete Hügelkette, wie man sie für Eisenbahnanlagen benutzt«, ergänzte Tannen.
»Und was ist das jetzt wieder für eine Drehung?«, fragte Mangold.
»Eine neue Variante«, sagte Kaja Winterstein. »Er schafft mit einfachen Mitteln eine andere Umwelt. Der Mann liebt das Detail, gibt sich Mühe, uns möglichst rasch über sein Vorbild zu informieren.«
»Aber warum?«, sagte Mangold und sah sich suchend nach Tannen um. Er entdeckte ihn auf einer kleinen Mauer. Tannen starrte angestrengt auf den Bildschirm seines Notebooks, den er auf seinen Oberschenkeln platziert hatte.
Hensen steckte sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Dann zog er den Skizzenblock aus seiner Brusttasche.
Was er da treibe, wollte Mangold von Tannen wissen.
»Ich suche nach dem Vorbild. Es gibt Strommarken am Oberkörper des Mädchens, außerdem wurde ihr eine Flüssigkeit in die Venen gespritzt, die Nadel steckte noch drin.«
»Nicht zu vergessen diese Modellhügellandschaft«, sagte Mangold.
»Genau. Den Malen am Hals nach zu urteilen wurde das Opfer erwürgt.«
»Melden Sie sich sofort, wenn Sie fündig geworden sind. Auch wenn es nur eine Vermutung ist.«
Der Bremer Gerichtsmediziner verließ den Wohnwagen und trat auf Mangold zu.
»Sie sind der Ermittlungsleiter?«
Mangold nickte und stellte sich vor.
»Das Opfer wurde dem ersten Anschein nach erwürgt, es gibt sogar äußerlich zu sehende Hinweise auf vaginale und anale Vergewaltigung. Auf eine andere Todesursache könnten die Strommarken am Oberkörper hindeuten und ebenso die Injektion einer noch unbekannten Substanz. Todeszeitpunkt kann ich noch nicht sagen, weil wir nicht wissen, wie warm es in dem Wohnwagen war. Ich meine, bevor die Tür geöffnet wurde. Sie bringen das Opfer ins Hamburger Institut?«
»Halte ich für ratsam, wir suchen gezielt nach bestimmten Hinweisen.«
»Sie müssen sich gar nicht entschuldigen, ist mir mehr als recht. Ob die Verletzungen vor oder nach dem Eintritt
des Todes zugefügt wurden, möchte ich gar nicht beantworten. Dieser Ehrgeiz ist mir abhanden gekommen.«
Mangold nickte und betrat den Wohnwagen. Vielleicht
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